Soll die Schweiz künftig jährlich 47 Millionen Franken mehr zugunsten der Europäischen Agentur für Grenz– und Küstenwache (Frontex) bezahlen? «Ja», findet Swiss Textiles und unterstützt die Frontex-Vorlage, über die wir am 15. Mai abstimmen. Ein «Nein» zu Frontex hätte weitaus höhere Kostenfolgen für die Schweiz. Warum ergründen wir im Interview mit Ueli Fisch, Geschäftsführer der wederundgut AG sowie Mitglied des Gremiums Wirtschaftspolitik bei Swiss Textiles.
Die Schweiz, Island, Liechtenstein, Norwegen sowie die Mehrheit der EU-Staaten bilden gemeinsam den Schengen-Raum. Das Reisen innerhalb des Schengenraums ist visumsfrei. Diese Erleichterung erfordert allerdings eine umfassende und koordinierte Kontrolle der Aussengrenzen. Frontex, die europäische Agentur für Grenz- und Küstenwache, ist dabei zuständig für diese Koordination. Seit 2011 beteiligt sich die Schweiz finanziell und personell an Frontex-Einsätzen.
Aktuell wird eine Revision der EU-Verordnung vollzogen, mit dem Ziel, Frontex einerseits weiter auszubauen und andererseits für eine effektivere Kontrolle von Migrationsströmen besser auszurüsten. Auch die Schweiz betrifft diese Änderung der EU-Verordnung. Bundesrat und Parlament haben zugestimmt, die neuen Regeln zu übernehmen und die Finanzierung zugunsten von Frontex von heute jährlich 14 Millionen Franken auf 61 Millionen Franken aufzustocken. Dagegen wurde das Referendum ergriffen, so dass wir am 15. Mai 2022 über die Frontex-Vorlage abstimmen. Bei einem Nein droht der Schweiz der Rauswurf aus dem Schengen-Raum.
Ein solcher würde der Schweizer Textil- und Bekleidungsbranche enorm schaden. Deshalb setzt sich Swiss Textiles für ein JA zur Frontex-Vorlage ein. Im nachstehenden Interview mit Ueli Fisch, erfahren Sie konkret, was bei einem Rauswurf aus Schengen auf die Branche zukäme.
Ueli Fisch, ist Geschäftsführer der wederundgut AG in Frauenfeld. Die wederundgut AG ist Spezialistin für Bekleidungskonzepte im Corporate Fashion-Bereich. Zudem ist Ueli Fisch Kantonsrat der GLP Thurgau sowie Mitglied der Geschäftsleitung GLP Schweiz. Bei Swiss Textiles engagiert sich Ueli Fisch im Gremium Wirtschaftspolitik.
Am 15. Mai stimmt die Schweizer Bevölkerung über die Frontex-Vorlage ab. Die europäische Agentur für Grenz- und Küstenwache (Frontex) soll weiter ausgebaut werden. Bei einem Ja zur Vorlage, kostet das die Schweiz jährlich neu 61 und nicht wie heute 14 Millionen Franken. Halten sich Aufwand und Ertrag die Waage?
Das ist für mich weniger eine Frage der Finanzen, sondern eine Frage der Verantwortung. Wir müssen bei der Weiterentwicklung von Frontex Verantwortung übernehmen und die Zusammenarbeit mit unseren europäischen Partnern stärken. Die Beziehungen zu Europa sind sowieso schon angespannt.
Wie hoch ist aus Ihrer Sicht die Gefahr, dass die Schweiz bei einem Nein zur Frontex-Vorlage, das Schengen-Abkommen verliert?
Diese Gefahr besteht. Wir können nicht riskieren, aus dem Schengen-Abkommen zu fliegen. Die Folgen wären gravierend. Die Schweizer Untugend des Rosinen Pickens ist für die Beziehungen zu Europa definitiv keine Option. Nur, wenn wir Frontex mitfinanzieren, haben wir auch einen Einfluss auf die Tätigkeit und können mithelfen, aktuelle Missstände zu beseitigen.
Was würde es für Sie als Unternehmer konkret bedeuten, wenn die Schweiz aus dem Schengen-Raum fällt?
Konkret ergäben sich erneut Grenzkontrollen für den Personenverkehr an der Schweizer Grenze. Diese gibt es ja heute nicht mehr. Es käme es zu Staus am Zoll und damit zu einer grossen Behinderung für den Warenverkehr. Die Lieferzeiten würden sich verlängern, die Kosten der Transporte würden nochmals zusätzlich steigen. Zudem verlören wir Unternehmer und Unternehmerinnen an Mobilität. Wir könnten uns nicht mehr visumsfrei im Schengenraum bewegen.
Die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU sind seit der Sistierung des institutionellen Rahmenabkommens an einem Tiefpunkt angelangt. Erste Verträge erodieren. Was brauchen Sie als Unternehmer jetzt am dringendsten?
Als Unternehmer brauche ich Rechtssicherheit im Umgang mit den europäischen Staaten und freien Warenverkehr. Jede zusätzliche administrative Hürde erschwert uns das Leben zusätzlich, führt zu Mehrkosten und damit zu weniger Wettbewerbsfähigkeit. Die Schweizer Wirtschaft braucht so schnell wie möglich ein institutionelles Abkommen mit Europa oder muss sich alternativ überlegen, den EWR-Beitritt anzustreben.
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