Mirjam Matti Gähwiler — 02.11.2021

Am 5. November 2021 findet bereits zum 16. Mal die Verleihung des Design Preis Schweiz statt. Swiss Textiles unterstützt den Preis seit vielen Jahren. Nicht nur, weil dadurch die Sichtbarkeit der Designkompetenz unserer Branche gestärkt wird, sondern auch, weil der Preis ein einzigartiges, interdisziplinäres Netzwerk bietet.

2017 wurde Yvonne Reichmuth mit ihrem Unternehmen YVY in der Kategorie für Textil- und Fashion-Start-ups ausgezeichnet. Wir sprachen mit ihr über die Bedeutung des Preises, was seither passiert ist und was sie noch alles vorhat.

Yvonne Reichmuth trägt das UNI Harness mit der Mini Box. Fotografin: Nura Sina Deon
Yvonne

Yvonne, was hat dir die Auszeichnung damals bedeutet?
Ich hatte mich damals besonders über diese Auszeichnung in dieser Kategorie gefreut, weil die Marke und das Unternehmen ganzheitlich betrachtet und beurteilt wurden. Und auch, weil mir wichtig ist, dass wir Designschaffenden auch als Unternehmerinnen und Unternehmer ernst genommen werden und es nicht nur um eine Beurteilung, einen Blick auf eine Kollektion geht, sondern das ganzheitliche Schaffen mit Fokus der Wirtschaftlichkeit angeschaut wird.

Was hattest du erwartet, was der Gewinn auslösen wird?
Eigentlich nichts, denn ich denke, es ist immer gut, nicht zu hohe Erwartungen an ein einzelnes Ereignis zu haben. Mein Weg wurde nicht durch einzelne Meilensteine geprägt, sondern immer wieder durch eine Vielzahl von Ereignissen, kleine wie grosse, die in der Gesamtheit den Erfolg ausmachen.

Was kam danach oder anders gefragt, was hat sich konkret aus dem Gewinn des Preises ergeben?
Der Preis war damals mit 15'000 Franken dotiert, wofür ich natürlich sehr dankbar war. Als Start-up sind die Finanzen ja immer ein Thema. Aber viel mehr war für mich wichtig, dass ich über das Netzwerk von Swiss Textiles einen Mentor gefunden habe. Ich habe zwar ein tolles Team, mit dem ich mich austausche und stetig an der Marke weiterarbeite, aber schliesslich bin ich die Gründerin, die Unternehmerin, die die Verantwortung trägt. Mir fehlte der Austausch zu jemandem, der in gleicher Position ist, aber viel mehr Erfahrung hat und mit dem ich meine Gedanken teilen kann. Ich muss sagen, die Person, die mein Mentor wurde, ist eine der spannendsten und inspirierendsten Persönlichkeiten, die ich in den letzten Jahren getroffen habe. Der Austausch war und ist heute noch eine grosse Bereicherung für mich.

Die Person, die mein Mentor wurde, ist eine der spannendsten und inspirierendsten Persönlichkeiten, die ich in den letzten Jahren getroffen habe.

Wenn du auf die vier Jahre seit Gewinn des Design Preis zurückblickst, was waren besonders prägende Momente in deiner Arbeit?
Da komme ich nicht darum herum, die letzten Monate und besonders das letzte Jahr zu erwähnen, da wir durch Corona ja alle in einer aussergewöhnlichen Situation waren. Wir hatten bei YVY eigentlich vor, nochmals international richtig Gas zu geben. Das wurde dann erstmals irrelevant. Der Fokus war wieder sehr auf das Lokale gerichtet, wo ich zum Glück gut aufgestellt war. Als Start-up möchte man ja immer auch schnell wachsen, aber es zeigte sich gerade in dieser Zeit, dass es ein Vorteil war, dass wir noch nicht so gross waren und uns dadurch agil und flexibel auf die neue Situation haben einstellen können.

Was ist aus dieser Zeit geblieben?
Der grosse Hype, man würde nun umdenken und alles anders machen, war rasch verflogen. Ich bedaure, dass diese anfängliche Euphorie nicht langfristig angehalten hat. Für mich waren die ruhigen Monate im Lockdown wichtig, mich und meine Arbeit zu hinterfragen. Ich wurde auch in vielen Entscheidungen bestätigt, die ich schon vor Corona getroffen hatte. Beispielsweise keine saisonalen Kollektionen zu entwerfen und so Designs zu erschaffen, die über Jahre relevant bleiben. Oder unser Made-to-order-Approach, der eine Überproduktion ausschliesst, die in dieser Zeit ja noch absurdere Ausmasse angenommen hatte.
Bei YVY ging es immer um zeitloses Design, verbunden mit einer eigenen, klaren Ästhetik in allem, was wir tun. Und um die Gefühle und Werte, die wir im Team und mit unseren Kundinnen und Kunden teilen.

Bei YVY ging es immer um zeitloses Design, verbunden mit einer eigenen, klaren Ästhetik in allem, was wir tun.

Du bist inzwischen auch als Designerin Mitglied des Kreativ-Teams von Piëch. Wie kam es dazu?
Es begann mit einer Kollaboration von YVY und Piëch vor zwei Jahren. Diese Lederkeychains gewährten bei ihrem Launch am Genfer Autosalon den exklusiven Zugang und ich freue mich zu sehen, dass diese wie erhofft noch heute getragen werden und das Gefühl einer Community geben, zu der man gehören möchte. Es war uns wichtig, auch bei diesem Detail zu zeigen, dass wir auf durchdachtes Design und Nachhaltigkeit durch beste Qualität setzen. Ein Jahr später bat mich der Co-Gründer in sein Office, und ja, da blieb ich bis heute. Ich war von Anfang an begeistert von ihrer Vision und es ist aufregend, Teil dieser Entwicklung zu sein. Die Chance, eine Marke von Grund auf neu aufzubauen und das noch in der Schweiz, das ist einzigartig. Spannend ist für mich auch, dass ich bei Piëch in einer ganz anderen Branche tätig bin, aber doch viele Parallelen zu meinem eigenen Start-up erkenne. Was für beide Seiten bereichernd ist.

Kollektion

Zeitloses Design – Der Moon Belt (entstanden während dem ersten Lockdown im 2020) ist eine Neuinterpretation eines Designs aus YVY’s erster Kollektion (2014). Fotografie: Mirjam Kluka

Buch Core 4

YVY’s erstes Buch CORE ist während dem speziellen Jahr 2020 entstanden und fragt was bleibt, wenn alles wegfällt. Es kann auf YVY.CH bestellt werden und der Erlös geht an das FIZ.

Buch Core 1

Was folgt als Nächstes?
Wie ich schon sagte, verfolge ich nicht den klassischen Weg der Modewelt, Kollektionen für Saisons zu entwerfen. Dass ich stärker in Projekten arbeite, hat sich bereits in den letzten Jahren gefestigt. Dieses Jahr arbeitete ich an einem Buch – zusammen mit befreundeten Künstlerinnen und Künstlern sind sieben Kapitel über «FEELINGS» entstanden. Es wird Ende November bei einem Gallery-Takeover lanciert werden. Der Erlös der Bücher geht an die FIZ, die Fachstelle für Frauenhandel und Frauenmigration. Dann bin ich auch an einer Kooperation dran mit einer international renommierten Marke. Da darf ich aber noch nicht zu viel verraten. Das wird dann nächstes Jahr lanciert.

Was wünschst du oder möchtest du Designschaffenden mitgeben, die am Anfang ihrer Karriere stehen?
Ich glaube, es braucht immer ein gesundes Mass an Ehrgeiz und Demut, und das in ausgewogener Kombination. Und dass man sich bewusst ist, dass es auf dem Markt eigentlich schon alles gibt. Man muss sich fokussieren, seine eigenständige Sprache entwickeln und sich nicht ablenken lassen, was darum herum geschieht. Wer irgendwelchen Trends nachläuft oder andere kopiert, wird damit nicht weit kommen.

Gegründet 2014, verbindet YVY gekonnt traditionelle Handwerkskunst und formale Innovation. Die Grenzen von Kleidung, Accessoire und Objekt fliessen in den saisonunabhängigen Kollektionen zusammen und werden zu aufregenden Lederstücken, die durch das Tragen nur noch schöner werden. Jedes BESPOKE-Stück wird aus feinstem Leder handgefertigt und in YVYs-Atelier im Herzen von Zürich zum Leben erweckt. YVY's EVERYDAY-Stücke werden entweder in Zürich oder in Zusammenarbeit mit Kunsthandwerkern in Florenz hergestellt. Alle Kollektionen werden aus italienischem, hauptsächlich pflanzlich gegerbtem Leder hergestellt.
Die überraschende Kombination aus Schweizer Qualitätsbewusstsein, italienischer Lederexpertise und Hollywood Publicity machen ein YVY-Stück zu einem begehrten Statement bei Frauen und Männern gleicherweise.
Seit 2020 ist Yvonne Reichmuth auch festes Mitglied des Piëch-Kreativteams, wo sie unter anderem als Color + Trim Designer arbeitet.

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