Bom dia hiess es neulich für Bundesrat Guy Parmelin, als er mit einer Wirtschaftsdelegation nach Brasilien reiste. Sein Ziel im flächenmässig fünfgrössten Land der Welt: Den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten Auftrieb verleihen und die bestehenden Kontakte vertiefen. Keine einfache, aber für die Textilbranche eine überaus wichtige Mission.
Bundesrat Guy Parmelin reiste mit einer klaren Mission im Gepäck nach Brasilien: endlich wieder Schwung in die stockenden Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen (FHA) zwischen der EFTA und dem Mercado Común del Sur – Mercosur – bringen. Der internationalen Wirtschaftsorganisation in Lateinamerika gehören neben Brasilien Argentinien, Paraguay sowie Uruguay an. Venezuela ist seit 2016 suspendiert. Das FHA wurde 2019 in der Substanz zwar abgeschlossen – allerdings noch nicht ratifiziert. Das Inkrafttreten verzögert haben die Covid-Pandemie, die Regierung des letzten Präsidenten Jair Bolsonaro, einzelne technische Fragen sowie die parallellaufenden Verhandlungen zwischen der EU und Mercosur.
Weshalb also die Mühe einer weiten Reise ins grösste Land Südamerikas? Was springt für die Schweiz heraus? Fünf Gründe.
Erstens: Brasilien ist der mit Abstand wichtigste Wirtschaftspartner der Schweiz in dieser Region. Schon aufgrund seiner schieren Grösse mit 214 Millionen Einwohnern ist der brasilianische Markt äusserst attraktiv. Nach der Pandemie hat sich die Republik rasch erholt und mit einem Wachstum von 2.9 Prozent im Jahr 2022 die Erwartungen übertroffen. Die Teuerung beträgt zwar immer noch rund sechs Prozent, aber die Inflationstendenzen haben deutlich abgenommen. Eine Leistung, die positiv stimmt.
Zweitens: Brasilien wäre ein spannender Markt für technische Textilien bei Infrastrukturvorhaben im Transport- und Nachhaltigkeitsbereich sowie für funktionale oder hochmodische Stoffe und Bekleidung für die wachsende Mittel- und die Oberschicht. «Wäre», weil die Wirtschaftsbeziehungen mit der Schweiz bislang nicht vom Fleck kamen. Schuld daran sind die happigen Zölle von 18-35 Prozent auf Textilien und Bekleidung. Sie schotten den Markt ab. Dazu kommen weitere Abgaben und nicht-tarifäre Handelshemmnisse wie Lizenzen. Sie belasten die Importe. Es verwundert daher kaum, dass unsere Exporte von Textilien mit 5.3 Mio. Franken und Bekleidung mit 2.1 Mio. Franken (Stand 2022) auf einem sehr bescheidenen Niveau dümpeln.
Drittens: Im Fokus der Regierung des 2023 gewählten Präsidenten Lula da Silva steht die Bekämpfung von Ungleichheiten in der Bevölkerung, die Stabilisierung des Staatshaushalts und der Umbau zur grünen Wirtschaft. Nachhaltigkeit steht auf der politischen Agenda – darauf gilt es auch im Rahmen der Verhandlungen ein besonderes Augenmerk zu richten.
Viertens: Sollte der Beitrittsprozess zur OECD fortgesetzt werden, dürfen Handelspartner und Investoren auf weitere wichtige Reformschritte hoffen. Sie werden das unternehmerische Klima stärken. Ende Januar 2022 hat die Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit die Beitrittsverhandlungen eröffnet.
Last but not least: Mercosur umfasst mit Argentinien, Paraguay und Uruguay weitere spannende Märkte. Allen voran Uruguay. Die Überschaubarkeit des zweitkleinsten Landes auf dem Kontinent darf nicht täuschen. In Bezug auf Stabilität, Demokratie, Gleichheit, BIP/ Kopf, Ausbildung oder grüne Energie ist es klare Nummer eins. Es stellt einen attraktiven Hub für die ganze Region dar. Eine Wirtschaftsdelegation unter der Leitung von Staatssekretärin Helene Budliger Artieda konnte sich von den Vorzügen Uruguays vor Ort ein Bild machen.
Mittelfristig wird das FHA EFTA-Mercosur rund 95% der Industriezölle – unter anderem für Textilien und Bekleidung – abschaffen. Über alle Branchen hinweg wären damit jährlich Zolleinsparungen von bis zu 180 Mio. Franken möglich. Zudem stärkt ein Abkommen die Rechtssicherheit und Planbarkeit. Nun gilt es das Momentum zu nutzen und es möglichst während der Mercosur-Präsidentschaft Brasiliens bis Ende 2023 unter Dach und Fach zu bringen.
Diskutieren Sie mit