Eine eigene Unterwäschekollektion für Gen-Z und Damenslips mit «mehr Spitze, mehr sexy» in Zukunft: Dieses Jahr feiert der Schweizer Unterwäschehersteller ISA Bodywear sein 175 Jubiläum. Swiss Textiles war am Tag der offenen Tür am Hauptsitz in Amriswil und sprach mit den Brüdern und CEOs Christian und Thomas Sallmann über den Werkplatz Schweiz und neue Trends.
Eine eigene Unterwäschekollektion für Gen-Z und Damenslips mit «mehr Spitze, mehr sexy» in Zukunft: Dieses Jahr feiert der Schweizer Unterwäschehersteller ISA Bodywear sein 175 Jubiläum. Swiss Textiles war am Tag der offenen Tür am Hauptsitz in Amriswil und sprach mit den Brüdern und CEOs Christian und Thomas Sallmann über den Werkplatz Schweiz und neue Trends.
Sie beide sehen aus, als ob Sie bislang noch keine Zeit gehabt hätten, sich hinzusetzen und eine Wurst zu essen.
Thomas Sallmann: Ich konnte kurz etwas essen. Aber es ist schwierig, nur schon aufs WC zu gehen, weil dich alle kennen. Aber ich geniesse es.
Christian Sallmann: Ich habe schnell eine Wurst gegessen und etwas getrunken. Aber man kommt nicht wirklich vorwärts, weil es so viele Leute hat. Was es schwierig macht, ist, dass dich viele Leute kennen, aber du sie nicht. Das Gesicht kommt dir bekannt vor, aber der Name fällt dir nicht ein.
Die Unterwäsche ist das Produkt, das man am nächsten am Körper trägt.
Sie haben zu zweit die Geschäftsleitung 2021 von Ihrem Vater Andreas Sallmann übernommen. Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Leistung bis jetzt?
CS: Wenn man sich anschaut, was wir erreicht haben in den letzten Jahren, darf man zufrieden sein. Es gibt sicher noch Spielraum, um besser zu werden. Am Ziel ist man nie. Wir haben das Geschäft in einer schwierigen Zeit übernommen (Anmerkung Redaktion Corona) und sind gut durchgekommen. Auch dank unserer einzigartigen Lieferkette mit eigener Strickerei, Zuschnitt und Ausrüstung in der Schweiz und einer eigenen Produktion in Portugal.
TS: Ich bin grundsätzlich zufrieden. Den Erfolg, den wir jetzt haben, ist noch nicht voll uns zuzuschreiben. Die Umsetzung der strategischen Projekte und vor allem der 2022 geplanten Neuausrichtung mit unseren Markenbotschaftern Tennisprofi Dominic Stricker und Ruderer Louis Margo macht sich langsam bemerkbar.
Woran erkennen Sie das?
TS: Wir sehen das bei Louis auf Instagram. Der macht Videos mit acht Millionen Views, in denen unsere Marke zuvorderst ist. Aber das ist ein Prozess. Wir haben die Basis gelegt. Wir haben die richtigen Leute geholt und die richtigen Weichen gestellt, um nachhaltig erfolgreich zu sein.
«Das ist völlig crazy, das zieht bestimmt niemand an!»
Im Interview mit «Sponsoring Extra» im Januar sagten Sie, dass Ihre Marke «leicht angestaubt» sei und Sie sie modernisieren wollten. Wie?
TS: Einerseits haben wir mit Louis und Dominic Markenbotschafter gefunden, die viel jünger sind und ein Publikum ansprechen, das aktuell nicht unsere Hauptzielgruppe ist. Was jetzt teilweise noch fehlt, sind Produkte, die speziell auf sie angepasst sind. Was aber nicht heisst, dass wir mit unseren Top-Sellern keinen Umsatz mehr machen werden.
Was meinen Sie damit?
TS: Wir bringen im Mai eine Kapsel-Kollektion heraus für die Generation Z, zusammen mit der STF (Anmerkung der Redaktion: Schweizer Textilfachschule). Völlig crazy und im September folgt eine Kapsel, die komplett 3D-animiert ist. Fun prints, die auf die Jungen abzielen. Es braucht noch gewisse Highlights im Sortiment zu interessanten Preisen, damit wir sie ansprechen können.
Wieso braucht die Gen-Z eine eigene Kollektion?
TS: Dieser Generation sind Produkte mit Rippen wichtig. Also Stoffe ohne Elastan. In Weiss, Schwarz. Genderless, unisex, one size. Und teilweise Sachen, von denen wir anfangs gedacht haben: «Das ist völlig crazy, das zieht bestimmt niemand an!» Aber die jungen Menschen haben komplett andere Bedürfnisse und Einstellungen – die verstehen wir gar nicht mehr. Wir haben eine gute Schnitttechnikerin, die auch in dieser Welt lebt und 21 ist. Ihr habe ich bloss die Rahmenbedingungen mitgeteilt. Und beim Rest – Videos, Shoot – war ich gar nicht dabei. Weil es sonst nicht gut gekommen wäre.
(...) die jungen Menschen haben komplett andere Bedürfnisse und Einstellungen – die verstehen wir gar nicht mehr.
Ihre Markenbotschafter Dominic Stricker und Louis Margot sind Männer. Wie sprechen Sie die weibliche Kundschaft an?
TS: Ich bin der Meinung, dass der Markenbotschafter wichtig ist, aber du brauchst zuerst die richtigen Produkte. Wir sind sehr herrenlastig. Die Kollektionsentwicklung deckt zu 90 Prozent Herren ab. Wir haben gemerkt, dass wir falsch ausgerichtet sind im Moment. Jetzt müssen wir bei den Damen etwas aufholen.
Zum Beispiel?
TS: Dieses Jahr starten wir das Projekt Woman 2.0 neu und von Grund auf. Mit einer umfassenden Marktrecherche, um eine neue Kollektion aufzubauen. Ab nächsten Herbst geben wir Vollgas, und Verhandlungen mit einer sehr bekannten Markenbotschafterin – sie war erst gestern hier – laufen bereits. Aber wir können noch nichts dazu sagen.
Jetzt müssen wir bei den Damen etwas aufholen.
Ist sie Model, Influencerin oder Sportlerin?
CS: Sie ist sehr bekannt und bodenständig.
TS: (schmunzelt): Sie ist ab und zu im Fernsehen und war früher einmal Sportlerin. Da aber noch nichts unterschrieben ist, können wir nicht mehr verraten.
Sie stellen erst seit 2006 Damenwäsche her. Haben Sie Frauen als Zielgruppe vernachlässigt?
CS: Unser Vater hat schon immer versucht, Damenunterwäsche anzubieten. Aber ohne die Oberteile, also BHs. Wir machen keine BHs. Wir werden sie auch in Zukunft nicht machen. Sie sind zu komplex und erfordern eine andere Produktion. Da gibt es bereits etablierte Marken. Wir hätten keine Chancen bei der Positionierung, mit unseren Preisen und der Menge. Für die Menge hätten wir zu den Grossen müssen. Aber wir wollen alles selbst herstellen. Daher fokussieren wir uns bei den Damen vor allem auf Wäsche.
Was haben Sie konkret vor?
TS: Wir haben alles, um Unterwäsche herzustellen. Aber die Schnittmuster müssen wir überarbeiten. Mehr Spitze, mehr sexy. Zum Beispiel ein Streifenband über dem Po.
Sie gehören zu den wenigen Wäscheproduzenten, die noch in der Schweiz stricken, veredeln, schneiden und selbst entwerfen. Wie gelingt Ihnen das im Gegensatz zur Konkurrenz?
CS: Diese Frage wird uns öfters gestellt. Wir sind ein unabhängiges Familienunternehmen. Wir denken langfristig und müssen nicht von Quartal zu Quartal Investoren zufrieden stellen. Unsere Familie besitzt Aktien und ist so in der Lage, in Krisen antizyklisch zu handeln.
Mehr Spitze, mehr sexy.
Andere Unternehmen sagen das auch über sich.
CS: Während Corona haben wir zum Beispiel weit über eine halbe Million Franken in Maschinen investiert und 15 Prozent des Volumens im Ausland wieder zurück in die Schweiz geholt, damit wir schneller werden. So haben wir die internationale Ausschreibung der Schweizer Armee gewonnen und stellen seit einem Jahr mit unserem langjährigen Partner E. Schellenberg Textildruck in Fehraltdorf ihre Unterwäsche her. Früher wurde sie im Ausland produziert.
Also sind Ihre Preise für Unterhosen und Unterhemden teurer als bei der Konkurrenz?
CS: Interessant ist, dass wir Stand heute so weit sind, dass wir nicht mehr viel teurer sind als das nahe Ausland. Beispielsweise beim Stricken. Das Einzige, das teurer ist, sind die Lohnkosten. Hier machen unsere ausländischen Mitbewerber zwar grosse Schritte.
Wie sieht es mit den anderen Produktionskosten aus?
CS: Wir kommen billiger an Energie ran und haben bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Wenn man alles zusammenrechnet, ist das Ausland nicht mehr viel billiger. Auch wegen den immer teurer werdenden Transportkosten.
Wie seht die Schweizer Textil- und Bekleidungsbranche der Zukunft aus?
CS: Unsere Industrie kann eine Zukunft haben, wenn man sich jetzt richtig aufstellt. Wenn man offen für Neues bleibt und Innovationen pusht. Ganz wichtig sind Megatrends wie Smart Textiles und Nachhaltigkeit und dass man sich von den Regulatorien nicht zu stark einschränken lässt. Wir blicken positiv in die Zukunft.
Inwiefern?
CS: Wir bekommen in den letzten drei Jahren mehr Anrufe aus dem Ausland, die ihre Aufträge wieder in der Schweiz oder in Europa vergeben wollen. Das verkürzt die Lieferwege, führt zu weniger Überhang und mehr Nachhaltigkeit. Das stimmt uns zuversichtlich.
Wir blicken positiv in die Zukunft.
Und was bereitet Ihnen Sorgen?
CS: Sorgen macht uns die Lieferkette, die brauchen wir. Wenn uns da ein wichtiger Lieferant wegbricht, kann es kritisch werden. Darum wollen wir uns etwas breiter aufstellen und wieder näher mit unseren Hauptlieferanten arbeiten.
Sie sprechen von einer zukunftsträchtigen Textilindustrie in der Schweiz. Die Deindustrialisierung nimmt indes zu.
CS: Ich glaube nicht, dass die Schweiz ihren hohen Lebensstandard ohne ihre Industrie halten kann. Viele Innovationen kommen aus der Industrie. Es muss uns und der allgemeinen Industrie in Zukunft möglich sein, weiterhin in der Schweiz zu produzieren. Damit wir unabhängig bleiben.
Was sind Alternativen zur textilen Industrie, mit denen Unternehmen erfolgreich sein können?
CS: Servicemodelle sind denkbar, wobei diese im Unterwäschebereich schwierig sind. Technische Textilien kommen immer mehr. Ihr Produktions-Know-how müssen wir unbedingt in der Schweiz behalten. Da ist der Verband gefordert und jedes einzelne Unternehmen.
Technische Textilien kommen immer mehr.
À propos Verband – Was wünschen Sie sich von Swiss Textiles?
CS: Der Verband macht einen super Job. Wir profitieren viel von ihm, vor allem von den rechtlichen Beratungen zu Arbeits- und Patentschutz. Wir hoffen, dass sich der Verband weiterhin weiterentwickeln wird und mit der Industrie gehen wird.
In einer Ausgabe des Tagblatts von 2010 war zu lesen, dass der ehemalige US-Präsident Bill Clinton zu Ihren Kunden gehöre. Von welcher weiteren berühmten Persönlichkeit wissen Sie, dass Sie Ihre Unterwäsche trägt?
CS: Wir haben schon Briefe von bekannten Trägern erhalten – wie damals zum Beispiel von Prinz Charles, als er noch nicht König war, oder von Prinz William. Wir haben auch den US-Präsidenten Busch und Obama unsere Wäsche geschickt. Ob sie diese auch tragen, wissen wir nicht. Auch unsere Bundesräte haben 2011 erstmals Unterhosen von uns erhalten.
Senden Sie Donald Trump Unterhosen, sollte er wieder US-Präsident werden?
CS: Ja, wir sind neutral. Auch er soll sich in der richtigen Wäsche wohlfühlen.
Vom Trikot zur Unterhose
ISA Bodywear wurde 1849 als Trikotherstellerin gegründet. Das Familienunternehmen beschäftigt insgesamt 220 Mitarbeitende. Davon arbeiten 60 in Amriswil und etwa 160 in der Näherei in Portugal. Jährlich stellt es 1,5 Millionen Wäscheteile her. Es strickt, veredelt und rüstet den Grossteil der Stoffe gemäss eigenen Angaben in der Schweiz aus, wo es auch eine eigene Strickerei besitzt. Entwicklung, Design sowie etwa 40 Prozent des Zuschnittes kommen ebenfalls aus dem Inland. In Portugal wird genäht und die verbleibenden Anteile zugeschnitten. Seit 2005 stellt ISA Bodywear auch Damenwäsche her. 2021 haben die Brüder Thomas und Christian Sallmann die Geschäftsleitung ihres Vaters Andreas Sallmann übernommen.
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