Björn Von der Crone/ az — 22.08.2023

Höhere Preise und der starke Schweizer Franken blieben auch im zweiten Quartal 2023 die Schreckgespenster für die Textil- und Bekleidungsbranche. Besonders die spürbar nachlassende Kauffreude aus dem Ausland erschwerte das Exportgeschäft. Immerhin gibt der Grosshandel Grund zur Hoffnung: Die Ausfuhren in die EU stiegen – trotz Nachfragerückgang aus Deutschland und Italien – um über 15 Prozent.

Wir haben mit Andreas Christen, COO des Ausstatters von Transportmitteln Lantal Textiles, über die Lage in den verschiedenen Ländern, der Schweizer Textilbranche gesprochen und darüber, weshalb die Zahlen in der Aviatik wieder abheben.

Die Lage der Schweizer Textil- und Bekleidungsbranche

Die Inflation ist weiterhin eine der grössten Schwierigkeiten für die Schweizer Industrie – den Export im Besonderen. Während die Teuerung hierzulande wieder auf ein normales Niveau fiel, leidet das Ausland deutlich stärker. Dies bekommt auch die Schweizer Textil- und Bekleidungsbranche zu spüren. Vor allem das Geschäft mit den Haupthandelspartnern wie Deutschland und China harzt. Obendrauf erschwert ihr der starke Schweizer Franken das Geschäft. Dieser verteuert noch einmal ihre Produkte im Ausland.

Grosshandel deutet auf positive Trendwende hin

Unterschieden wird nachfolgend zwischen der verarbeitenden Textil- und Bekleidungsindustrie sowie dem Textil- und Bekleidungsgrosshandel. Erstere beurteilt die momentane Geschäftslage durchzogen. Während die Geschäftslage als leicht positiv gilt, sanken die Auslastung und der Auftragsbestand in den vergangenen drei Monaten allerdings und werden mehrheitlich als zu tief eingeschätzt.

Der Textil- und Bekleidungsgrosshandel dagegen blickt auf ein positiveres Quartal zurück. Bewertete er seine Geschäftslage in den letzten Quartalen noch knapp positiv oder gar negativ, hellt sich seine Einschätzung nun auf. Auch die Nachfrage zeigt nach oben, wobei sich das Saldo im negativen Bereich bewegt. Speziell zum gesamten Schweizer Grosshandel konnte die Textil- und Bekleidungsbranche wieder Boden gutmachen. Im Gegensatz zu ihm schätzt sie ihre Lage neu positiver ein.

Im ersten halben Jahr sind einzig technische Textilien und Heimtextilien im Ausland gefragt. Gleichzeitig hat die Schweiz weniger Textilien importiert. Bild: Schoeller Textil
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Höhere Preise vergraulen den Aussenhandel

Gerade für den Aussenhandel ist die Situation weiterhin schwierig. Während die Schweiz die Inflation bereits wieder auf ein normales Niveau drücken konnte, beisst sich das Ausland nach wie vor die Zähne an ihr aus. Eine Situation, die sich vor allem im Handel mit Textilien zeigt. Die wichtigsten Absatzmärkte, darunter die EU sowie die USA, bezogen weniger Schweizer Textilien. Einzig technische Textilien und Heimtextilien sind im ersten halben Jahr im Ausland gefragter. Gleichzeitig hat die Schweiz weniger Textilien importiert.

Neben der Inflation bremst der starke Schweizer Franken den Handel aus. So erschwert der Wechselkurs im derzeit preissensiblen Ausland das Exportgeschäft der Schweizer Firmen zusätzlich.

Schweizer Bekleidung in Frankreich und Österreich beliebter

Rosiger entwickelt sich der Handel mit Schweizer Bekleidung. Firmen exportierten im Vergleich zum Vorjahresquartal um 10.6 Prozent mehr Kleider (ohne Rückwaren). Das ist allen voran den gewachsenen Ausfuhren in die EU zu verdanken, die um über 15 Prozent anstiegen. Dies ist insofern bemerkenswert, als dass wichtige Handelspartner wie Deutschland und Italien weiterhin weniger nachfragen. Frankreich sowie Österreich dagegen kauften mehr Schweizer Bekleidung ein und machten damit die Rückgänge anderer Nachbarländer wett. Diese Entwicklung zeigt auf, wie unterschiedlich die einzelnen Länder durch die wirtschaftlich schwierige Situation kommen.

Arbeitslosenquote purzelt weiter

Die Beschäftigungslage liess die wirtschaftlich schwierige Situation weiterhin kalt. Im Juni 2023 lag die Arbeitslosenquote in der Branche bei rekordtiefen 2.2 Prozent. Das Nachsehen haben Unternehmen: Für sie ist es noch immer schwierig, neue qualifizierte Mitarbeitende zu rekrutieren. Aktuell rechnen sie nicht damit, dass sie in den kommenden Monaten mehr Fachkräfte benötigen werden. Das dürfte aber nur eine Frage der Zeit sein. Die Personenfreizügigkeit erachten sie weiterhin als ein notwendiges Instrument, mit dem sie verhindern wollen, dass sich die Lage zuspitzt.

Konjunkturindikatoren

Kapazitaetsauslastung in Prozent Verarbeitende Industrie Sommer 2023

Nach einem Hoch im ersten Quartal sank die Kapazitätsauslastung der verarbeitenden Textil- und Bekleidungsbranche gegen Jahresmitte. Neu beträgt sie 81 Prozent. Damit liegt sie etwas mehr als ein Prozent unter der Kapazitätsauslastung der Gesamtindustrie. Diese beträgt 82.3 Prozent und nimmt seit dem ersten Quartal 2022 stetig ab.

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Geschaeftslage Saldo Verarbeitende Industrie Sommer 2023

Noch immer prägen Ausschläge in beide Richtungen die Geschäftslage der verarbeitenden Textil- und Bekleidungsunternehmen. Diese legte sich im vergangenen Quartal jedoch. Die Industrie schätzt die Geschäftslage im Durchschnitt leicht positiv ein und lag im Juli 2023 bei einem Saldo von 4.1 Punkten. Anders dagegen der Trend der Schweizer Gesamtindustrie. Nach einer stabilen Phase zu Beginn des Jahres 2022 zeigt diese nun abwärts. Erstmals seit zweieinhalb Jahren fiel die Geschäftslage unter null und notiert bei einem Saldo von minus 3.9 Punkten.

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Auftragsbestand Saldo Verarbeitende Industrie Sommer 2023

Der Auftragsbestand der Schweizer Gesamtindustrie bewegt sich analog zur Geschäftslage. Seit gut einem Jahr sinkt dieser stetig und liegt im negativen Bereich. Auch die Textil- und Bekleidungsindustrie beurteilt die momentane Auftragslage als zu tief. Den starken Rückgang im ersten Quartal konnte sie zwar auffangen, jedoch liegt sie seit mehreren Jahren im negativen Bereich. Der aktuelle Saldo von minus 26.4 Punkten liegt dabei leicht unter dem Durchschnitt der vergangenen Monate.

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Geschaeftslage Saldo Grosshandel Sommer 2023

Erfreulich zeigt sich die Geschäftslage des Textil- und Bekleidungsgrosshandels. Im vergangenen Quartal wurde diese klar besser bewertet und steigt um über 50 Punkte an. Eine solch starke Entwicklung gab es zuletzt während der Pandemie. Der Saldo von 49.4 Punkten markiert damit einen neuen Höchststand der letzten Jahre. Der gesamtschweizerische Grosshandel schätzt die Geschäftslage als durchzogen ein. Zwar liegt der Saldo mit 20 Punkten im positiven Bereich, jedoch ist seit Beginn des Jahres ein Negativtrend zu verzeichnen.

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Nachfrage Saldo Grosshandel Sommer 2023

Eine positive Tendenz ist auch bei der Nachfrage nach Leistungen des Textil- und Bekleidungsgrosshandels erkennbar. Der Negativtrend, welcher 2022 begann, konnte gestoppt werden. Die Mehrheit jedoch bewertet die Nachfrage weiterhin als zu tief. Der Textil- und Bekleidungsgrosshandel liegt mit dieser Einschätzung nun praktisch gleichauf mit dem Schweizer Gesamtgrosshandel. Für Letzteren zeichnet sich aber noch keine Besserung ab. Die sinkende Nachfrage setzt sich auch im zweiten Quartal 2023 fort und liegt bei einem Saldo von minus 23 Punkten.

Die Geschäftslage stellt den konjunkturellen Gesamtzustand des Unternehmens dar. Die Testteilnehmenden beantworten die Frage: «Wir beurteilen die Geschäftslage zurzeit insgesamt als gut, befriedigend, schlecht.» Der Auftragsbestand umfasst die Menge oder den Wert der noch nicht in Arbeit genommenen Kundenaufträge. Die Testteilnehmenden beantworten die Frage: «Wir beurteilen den Auftragsbestand insgesamt als gross, normal, zu klein.» Die Nachfrage umfasst die Nachfragen nach Leistungen im In- und Ausland. Die Testteilnehmenden beantworten die Frage: «Die Nachfrage nach unseren Leistungen ist in den letzten drei Monaten gestiegen, gleichgeblieben, gesunken.»

Für die vier Indikatoren wird der saisonbereinigte Saldo aus positiven und negativen Antworten ausgewiesen. Dieser gibt die Tendenz der Entwicklung wieder. In der Praxis zeigen die Saldi eine hohe Korrelation mit den tatsächlichen Wachstumsraten der Realindikatoren. Die Angaben der positiven und negativen Antworten (Prozentzahlen im Text) sind nicht saisonbereinigt. (Quelle: KOF ETHZ)

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Beschaeftigte Lage Arbeitsmarkt 2023 Sommer

Die Arbeitslosenquote der Textil- und Bekleidungsindustrie sinkt weiterhin und beträgt im Juni 2023 2.2 Prozent. Im gleichen Monat 2022 betrug sie noch 3.1 Prozent. Gleichzeitig erwartet die Mehrheit der Unternehmen in den kommenden Monaten eine gleichbleibende Beschäftigung. Der Fachkräftemangel ist dadurch nach wie vor ein Problem. Dieses verschärft sich aber momentan nicht noch weiter.

Aussenhandel

Im zweiten Quartal 2023 sind die Textilexporte im Vergleich zum Vorjahresquartal um 7.1 Prozent gesunken. Sie belaufen sich auf 291.9 Millionen Schweizer Franken. Besser entwickelten sich die Bekleidungsexporte. Diese sind im Vergleich zum Vorjahr um 0.7 Prozent gestiegen und belaufen sich auf 779 Millionen Schweizer Franken. Um die Rückwaren bereinigt beträgt das Wachstum der Bekleidungsexporte gar 10.6 Prozent. Dies entspricht exportierter Bekleidung im Wert von 265.4 Millionen Franken.

Bei den Importen gibt es im zweiten Quartal 2023 einen Rückgang zu verzeichnen. Sowohl die Textil- als auch die Bekleidungseinfuhren verzeichnen ein Minus. Die Importe der Textilien sanken um –10.6 Prozent und betrugen 515.6 Millionen Schweizer Franken. Die Einfuhren der Bekleidung verringerten sich um –4.4 Prozent auf 1.9 Milliarden Franken. Bereinigt um die Rückwaren sind die Bekleidungsimporte um –4.6 Prozent gesunken und liegen bei 1.4 Milliarden Franken.

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Entwicklung Textil und Bekleidungsexporte nach Quartal Sommer 2023
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Entwicklung Textil und Bekleidungsimporte nach Quartal Sommer 2023
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Textilimporte und Exporte nach Wirtschaftsraum 2023 Sommer
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Bekleidungsimporte und Exporte nach Wirtschaftsraum 2023 Sommer
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Exporte und Importe nach Warengruppen 2023 Sommer

Ausblick und Erwartungen

Der Ausblick für die nächsten Monate ist in der Textil- und Bekleidungsbranche zweigeteilt. Die verarbeitende Industrie erwartet eine ähnlich durchzogene Phase, wie sie in den vergangenen Monaten zu beobachten war. Der Grosshandel wiederum erwartet eine Trendwende und rechnet mit besseren Geschäftszahlen als in der Vergangenheit.

Die Geschäftslage und die Auftragsbestände der verarbeitenden Industrie deuten darauf hin, dass in den nächsten Monaten kaum neue Positivrekorde vermeldet werden. Im Vergleich zur Gesamtindustrie konnte man sich wieder annähern. Dies aber in erster Linie, weil die Gesamtindustrie einen Negativtrend verzeichnet. Die Textil- und Bekleidungsindustrie konnte sich stabilisieren, jedoch bleibt unsicher, ob eine nachhaltige Erholung ansteht.

Anders sieht es der textile Grosshandel. Dieser verzeichnete in den vergangenen drei Monaten das erste Mal seit mehreren Quartalen eine Trendumkehr bei der Nachfrage. Zwar liegt diese noch im negativen Bereich, hat aber nun eine positive Entwicklung. Damit überstieg die Nachfrage des textilen Grosshandels gar die der Gesamtindustrie. Denselben Effekt ist auch bei der Geschäftslage zu beobachten, wo die Mehrheit der Unternehmen diese momentan als gut bezeichnen. Auch die erwartete Nachfrage entwickelt sich positiv. Nachdem im ersten Quartal eine grosse Unsicherheit herrschte, rechnet nun eine Mehrheit mit einer steigenden Nachfrage in den nächsten drei Monaten.

Einig sind sich die beiden Industriezweige bei den erwarteten Verkaufspreisen. Hier geht man von einem Rückgang der Teuerung aus. Die verarbeitende Industrie rechnet sogar mit leicht sinkenden Preisen. Eine solche Erwartungshaltung gab es zuletzt Anfang 2021. Es bleibt zu hoffen, dass diese Entwicklung auch im Ausland voranschreitet. Die verarbeitende Industrie rechnet jedenfalls für die nächsten Monate mit einer leicht steigenden Nachfrage an Exportaufträgen. Nach dem Einbruch vor allem aufseiten der Textilien wäre eine solche Entwicklung für die Schweizer Textilbranche sehr zu begrüssen.

Bezüglich Fachkräftemangel scheint eine Zuspitzung noch auszubleiben. Im Textil- und Bekleidungsgrosshandel geht ein Grossteil der Befragten weiterhin von einer gleichbleibenden Beschäftigung aus. Die verarbeitende Industrie rechnet für die kommenden Monate mit einer leicht sinkenden Anzahl der Beschäftigten. Jedoch entwickelt sich dieser Indikator positiver als in den Vormonaten. Es ist also möglich, dass in einigen Monaten sich der Mangel an Fachkräften wieder stärker akzentuiert.

Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass die Textil- und Bekleidungsbranche weiterhin mit Problemen zu kämpfen hat. Im Vergleich zur Gesamtindustrie schlägt sie sich jedoch gut und kann positivere Entwicklungen aufzeigen. Diese Trends müssen in den kommenden Monaten jedoch bestätigt werden. Als gutes Beispiel sind hier der Grosshandel und speziell die Bekleidungsbranche hervorzuheben, welche bezüglich Exporte trotz Konsumschwäche in wichtigen Märkten einen Anstieg verzeichnen konnten.

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