Björn von der Crone / Adriana Zilic / Mirjam Matti / Peter Flückiger — 06.09.2024

Ausländische Onlinehändler überfluten den Schweizer Markt. Kleider und Textilien machen einen beachtlichen Teil aus. Dabei profitieren sie von verschiedenen Wettbewerbsvorteilen: die noch bestehende Freigrenze bei der Mehrwertsteuer, fehlende Kontrollen im Produktesicherheitsbereich sowie am Zoll und ihre aggressive Werbung. Ein erheblicher Nachteil für Unternehmen mit Sitz in der Schweiz. Ein Grund für Swiss Textiles, die Politik zum Handeln aufzufordern.

Mit einem Klick sind Hose oder Buch auf Amazon oder Shein gekauft. In der Schweiz werden ausländische Onlinemarktplätze immer beliebter, wie die Post und die Hochschule für Wirtschaft HWZ jüngst festhielten.

Laut ihrem Schweizer E-Commerce Stimmungsbarometer bestellten 70 Prozent der Befragten dieses Jahr aus Deutschland. 47 Prozent deckten sich mit Waren aus China ein, und aus Frankreich sind es bislang 26 Prozent.

Prominenteste Beispiele sind derzeit Temu, Aliexpress und Shein aus China. Zusammen kommen sie hierzulande auf einen Umsatz von fast einer Milliarde Franken, wie der E-Commerce-Berater Carpathia schreibt.

Nur die Schweizer Onlinehändler Galaxus und Digitec sowie Zalando haben noch mehr erwirtschaftet. Temu trat hierzulande zwar erst im März 2023 in den Markt ein, gemeinsam mit den anderen ist der Onlinehändler aber markant gewachsen.

Unternehmen, die hier ihren Sitz haben, geraten ins Hintertreffen.

Inländische Unternehmen ziehen den Kürzeren

Wer hierzulande Produkte im Laden oder im Netz verkauft, untersteht dem Produktesicherheitsgesetz und der «Verordnung über Gegenstände für den Humankontakt».

Ersteres regelt zum Beispiel technische Textilien wie persönliche Schutzausrüstungen (PSA). Zweitere betrifft Waren, die mit Haut oder Haaren in Berührung kommen. Dazu zählen Bettwaren oder Bekleidung.

Peter Flückiger

Mangelnde Kontrollen und Lücken im Schweizer Gesetz öffnen Schlupflöchern Tür und Tor.

Webshops ohne Sitz in der Schweiz, die ihre Waren den Kundinnen und Kunden direkt liefern, sind diesen Gesetzen hingegen nicht unterstellt. Aufgrund des sogenannten Territorialitätsprinzips sind den Schweizer Marktüberwachungsbehörden bei ausländischen Onlinehändlern die Hände gebunden.

Dies bestätigt der Bundesrat in der Interpellation von GLP-Ständerätin Tiana Angelina Moser. Produkte können so unbehelligt in die Schweiz eingeführt werden. Unternehmen, die ihren Sitz hier haben, geraten ins Hintertreffen.

Paketflut kaum zu bewältigen

Hinzu kommt die schiere Menge an Päckchen, die täglich geliefert wird. Für kantonale Inspektoren und die Zollbehörde ist es unmöglich, die unzähligen Lieferungen in realistischer Zeit zu kontrollieren. Textilien werden dabei nur gelegentlich und auf einzelne Unternehmen mit Standort Schweiz überprüft.

Peter Flückiger, Vorsitzender der Geschäftsleitung von Swiss Textiles, findet klare Worte: «Mangelnde Kontrollen und Lücken im Schweizer Gesetz öffnen Tür und Tor für Schlupflöcher.» Es könne nicht sein, dass die Rechtslage inländische Händler benachteiligte.

Peter Flückiger

Die Umsätze von Onlinemarktplätzen ohne Sitz in der Schweiz wie Temu oder Shein nehmen nicht nur auf Kosten der inländischen Player zu. Auch auf Kosten der Umwelt und Arbeitnehmenden in den Herstellungsländern.

Zahlreiche Päckchen – wenig Wert

Ähnlich sieht es beim Mehrwertsteuergesetz aus. So bezahlen ausländische Onlineanbieter für ihre Lieferungen in die Schweiz mit einem Warenwert unter 62 Franken keine Mehrwertsteuer. Dies, weil der Betrag die minimale Grenze von fünf Franken unterschreitet. Damit erklärt sich auch die hohe Stückzahl von Temu-Paketen mit Lieferungen zu Schleuderpreisen.

Ende Jahr ist nun aber Schluss. Dann tritt die Revision des Mehrwertsteuergesetzes in Kraft. Mit der Überarbeitung ist auch die Einführung der Plattformbesteuerung geplant. Swiss Textiles sprach sich in der Vernehmlassung klar für die Überarbeitung und Einführung aus und unterstützt das Vorgehen des Bundesrates. Damit ist eines der Schlupflöcher gestopft.

Exzessive Aktionen und Sonderangebote, Preise unter dem Einstandspreis sowie eine vorgetäuschte Knappheit sollen zum Kauf verführen.

Preise unter dem Einstandspreis sind unlauter

Ein weiterer Dorn im Auge sind Swiss Textiles und weiteren Verbänden wie der Swiss Retail Federation die aggressiven Werbestrategie von Temu: Exzessive Aktionen und Sonderangebote, Preise unter dem Einstandspreis sowie eine vorgetäuschte Knappheit sollen zum Kauf verführen. Und das praktisch ohne jegliche juristische Aufsicht.

Gemeinsam haben die Verbände darum Beschwerde gegen das Bundesgesetz über unlauteren Wettbewerb beim Staatssekretariat für Wirtschaft SECO eingereicht. Diese ist nun hängig.

Peter Flückiger von Swiss Textiles stellt klar: «Die Umsätze von Onlinemarktplätzen ohne Sitz in der Schweiz wie Temu oder Shein nehmen nicht nur auf Kosten der inländischen Player zu, sondern auch auf Kosten der Umwelt und Arbeitnehmenden in den Herstellungsländern». Jetzt sei die Politik gefordert.

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