Swiss Textiles, die Handelskammer Schweiz-Belgien und economiesuisse luden am 12. Juni zur Sustainable Future Convention ins Château de la Hulpe. Auf den Traktanden im Schloss nahe Brüssel stand nicht allein das Thema Kreislaufwirtschaft. Heiss diskutiert wurden auch die neue Textilstrategie der EU und die Wirtschaftsbeziehungen zwischen ihr und der Schweiz. Abkühlung bot der anschliessende Cocktail d’Été.
Das Château de la Hulpe im gleichnamigen Brüsseler Vorort stand am 12. Juni ganz im Zeichen zweier zentraler Themen der Textil- und Bekleidungsbranche: die Kreislaufwirtschaft und der Handel mit der EU. Zumindest oder ganz besonders aus Schweizer Sicht. Der überwiegende Teil der Wirtschaftsverbände steht hinter den Bilateralen, die diese Woche ihr 25-jähriges Bestehen feiern.
Wie kann die Textilbranche in Zukunft nachhaltig werden? Mit dieser Frage beschäftigte sie sich gemeinsam mit der Politik am Mittwochabend. Gemeinsam luden Swiss Textiles, economiesuisse, die Handelskammer Schweiz-Belgien sowie Euratex zur Sustainable Future Convention. Letztere ist der Dachverband der europäischen Textil- und Bekleidungsindustrie.
Der Weg dorthin führt über die EU Textile Strategy. Der sogenannte Green Deal zwingt Unternehmen in der EU und ihre Partner ausserhalb, die verwendeten Rohstoffe, die Kennzeichnung, Produktionsprozesse, Verkauf und Rücknahme sowie Lieferketten zu überarbeiten. Ziel sind mehr Transparenz sowie soziale und ökologische Nachhaltigkeit in der Branche.
Die Umsetzung ist indes nicht unumstritten. Zwar unterstützt Euratex die Strategie im Grundsatz, wie dessen scheidende Präsident Alberto Paccanelli sowie Direktor Dirk Vantyghem in ihren Präsentationen festhielten. Allerdings müssten zuerst einige Bedingungen erfüllt sein. Andernfalls drohe eine Regulierungswelle über die europäischen Unternehmen hinwegzurollen. Zu den zentralen Forderungen zählen gemäss Euroatex:
Wir sind nicht einfach Nachbarn der EU, sondern vielmehr Mitbewohner in einer WG.
Swiss-Textiles-Präsident Carl Illi erinnerte die Anwesenden derweil, dass die Schweiz obgleich Nicht-Mitglied stark in die europäischen Wertschöpfungsketten eingebunden ist. Und Peter Flückiger, Vorsitzender der Geschäftsleitung, stellte klar: «Wir sind nicht einfach Nachbarn, sondern vielmehr Mitbewohner in einer WG». Schliesslich sei die Schweiz mit über acht Milliarden Euro der grösste Exportmarkt von Textilien und Kleidern der EU – noch vor UK, der USA und China. Auch das Nachhaltigkeitsniveau in der Schweiz sei mit demjenigen der EU vergleichbar. «Wir wollen gegenseitige Anerkennung», erklärte er.
Die Schweiz braucht die Bilateralen lll dringend.
Anlässlich des 150-jährigen Jubiläums seines Verbandes nutzte er das Treffen zudem, um dessen Haltung gegenüber dem bilateralen Weg zu betonen: «Wir wollen mit der europäischen Textilbranche zusammenarbeiten. Ohne Handelshemmnisse und Protektionismus». Grenzüberschreitender Personenverkehr und grenzüberschreitende Forschung seien die Grundlage dafür. Herausforderungen liessen sich nur gemeinsam meistern. «Die Schweiz braucht die Bilateralen lll dringend», rief er in Erinnerung.
Eure Textilstrategie richtet sich an uns. Also arbeitet mit uns zusammen, wenn ihr sie umsetzt.
Die Pitches dreier Schweizer und Belgischer Startups zeigten anschliessend, dass findige Köpfe heute schon an Lösungen für eine nachhaltigere Zukunft tüfteln.
Anna Beltzung, Mitbegründerin von Dimpora, stellte ihre giftfreie Membrane für Outdoor-Bekleidungen vor. Sie hat dieselben Eigenschaften wie herkömmliche wasserabweisende und atmungsaktive Gewebe. Da sie keine PFAS oder andere toxische Chemikalien enthält, gilt die Membrane aber als umweltfreundliche Alternative zu den Geweben, die die Industrie bislang einsetzt.
iCEEP-Gründer Petros Timotheou machte vor, wie sich sein Rücknahme-Programm für gebrauchte Textilien wie Kleider oder Stoffe direkt in den Online-Shop einbauen lässt. Die IT-Lösung verspricht Sale und Return in einem Guss: Sie wird in den E-Commerce-Bereich des Verkäufers implementiert und von Anfang an zum Bestandteil des Verkaufsprozesses. Ob zum Reparieren, Upcyclen, Recyclen oder zur möglichst umweltschonenden Entsorgung.
Mit welchen gesetzlichen und politischen Herausforderungen es Startups wie ihres zu tun haben, erklärte Jozefien Forton von Maison Forton. Ihr belgisches Unternehmen produziert hochwertige Teppiche aus wiederverwendeten Abfallprodukten und forderte von der Politik klare Rahmenbedingungen: «Technologie und Ideen sind vorhanden.»
Die Branche liess es sich nicht nehmen, das Treffen im Schloss auch als Plattform für ihre Forderungen an die Politik zu nutzen. Die Startups erinnerten die Vertreterinnen und Vertretern der Schweizer Mission und der europäischen Kommission: Eure Textilstrategie richtet sich an uns. Also arbeitet mit uns zusammen, wenn ihr sie umsetzt. Und vor allem: Bezieht die Zulieferer im Ausland in die Diskussion mit ein!
Die EU-Textilstrategie hat eine ganze Reihe von Neuerarbeitungen oder Überarbeitungen von insgesamt 16 Regulierungen ausgelöst. Diese sind alle unterschiedlich weit im Prozess fortgeschritten. Ein Teil davon wird schon bis Ende dieses Jahres konkret: Die Regierungen von EU-Mitgliedstaaten werden diese final verabschieden und innerhalb der nächsten zwei Jahre umsetzen müssen. Mit der neuen Textilstrategie soll auch ein digitaler Produktepass, eine neue Abfallverordnung und neue Regeln zum Textillabelling eingeführt werden. Über letztere herrscht indes Uneinigkeit in der Branche.
Im Zentrum dieser Gesetzesmassnahmen stehen Bekleidungs- und Heimtextilien. Über die Chemikalienregulierungen sind auch technische Textilien betroffen.
Die Diskussionen um neue Gesetze, Textilien und deren nachhaltige Zukunft verschoben sich nach dem formellen zum genussvollen Teil ins Freie. François Baur, Leiter des Brüsseler Büros von economiessuisse, und Philippe Kenel, Präsident der Handelskammer Schweiz-Belgien-Luxemburg luden zum gemeinsamen Cocktail d’Été. Spätestens hier draussen auf der Terrasse des weitläufigen Anwesens mit seinen Parks und Alleen schienen die Gäste einer Meinung zu sein: Die Kulisse war bezaubernd.
Was die Bilateralen für die Branche in der Schweiz bedeuten
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