Starker Schweizer Franken, Regulierungen und die geopolitische Weltlage. Für viele Branchen hierzulande schwierige Rahmenbedingungen. Eine davon ist die Textilbranche. Am vergangenen Montag kamen deshalb Inhaberinnen und Inhaber, Supplychain-Managerinnen und -Manager und Nachhaltigkeitsverantwortliche zusammen, um am zweiten Brennpunkt von Swiss Textiles teilzunehmen.
Der zweite Brennpunkt von Swiss Textiles vergangenen Montagnachmittag widmete sich dem Thema der Wertschöpfung. Was steckt dahinter und was braucht es dafür?
Am Hauptsitz von Freitag Lab in Zürich-Oerlikon sprachen Publikum und Podiumsgäste im vertrauten Kreis aus, was man sich anderswo nicht traut: Wo dir und mir der Schuh drückt. Was der Branche unter den Nägeln brennt. Denn ein Grundsatz des Brennpunkts lautet: Die Diskussion wird weder aufgezeichnet, noch werden Personen zitiert. Ein anderer lautet: sich zu vernetzen, Erfahrungen auszutauschen und sich inspirieren zu lassen.
Eine passende Gelegenheit bot sich übrigens vorher schon: Denn der Zürcher Love-Brand gewährte vor Brennpunkt-Beginn exklusive Einblicke in die Verarbeitung ihrer Accessoires. Die schönsten Eindrücke haben wir in der Bildergalerie festgehalten.
Zu den geladenen Gästen gehörten neben dem Vorsitzenden der Geschäftsleitung von Swiss Textiles, Peter Flückiger, Jacob-Rohner-CEO Hermann Lion, Bigna Salzmann von Freitag lab. sowie der CEO von Bäumlin & Ernst Bernd Schäfer.
«Was bedeutet Wertschöpfung in der Schweiz?» begann Moderatorin Monika Schäfer die Diskussion. «Qualität», «Produktion», «innovativ sein» – antworteten drei in der Runde.
Wieso sind wir noch da?
«Auf Qualität hinzuweisen, ist schön und gut», wendete die vierte Stimme sogleich ein, «reicht heute allerdings nicht mehr aus!» Um mit anderen im Markt zu bestehen, müssten die Waren auch nachhaltig und günstig sein. «Am Ende entscheidet immer der Preis. Die Kundschaft will wissen, ob das Produkt mehr kostet als sein Vorgänger.»
Das «Hirn» des Unternehmens in der Schweiz zu haben, wie es formuliert wurde, ist den Anwesenden zufolge eine zentrale Bedingung. Darunter fallen etwa Kreativabteilungen, die an smarten Lösungen tüfteln oder kreislauffähige Designs entwerfen. Hat eine Firma ihr Hirn in der Schweiz, kommt das einem Qualitätssiegel gleich. «Das Gute ist, in der Schweiz lässt sich so noch ein Brand erschaffen», so eine Erklärung. Das sei wahre Wertschöpfung.
Die Bilateralen lll werden das wichtigste politische Anliegen der kommenden Jahre für den Verband sein.
Produktion und Kreation am selben Standort zu haben, waren sich alle einig, können sich nur noch wenige Unternehmen leisten. «Wobei echtes Swiss Made leider nicht überall gewährleistet ist, nur weil‘s auf der Verpackung steht», hielt jemand entgegen. Transparenz sei darum enorm wichtig fürs Vertrauen der Kundschaft und die Glaubwürdigkeit.
Die Anzahl Unternehmen, die in der Schweiz industriell herstellen, hat in den letzten Jahrzehnten deutlich abgenommen. Die Ursachen sind mannigfaltig: starker Franken, hohe Energiepreise, staatlich subventionierte Konkurrenten im Ausland, ein Mangel an Fachkräften. Die Margen schwinden, genauso wie einzelne Glieder im textilen Wertschöpfungskreislauf.
«Mit Ideen, Kreativität und Design einen Beitrag leisten zu können, das ist Luxus, den wir hier haben», fuhr die Runde schliesslich fort. Eine zentrale Frage sei deshalb: «Wieso sind wir noch da?» Sie zwinge alle Köpfe eines Unternehmens, kreativ und innovativ zu bleiben.
«Alle reden immer von Innovation, aber sie erfordert einen extrem langen Atem!», hielt ein Geschäftsführer aus dem Publikum dagegen. Das Produkt und die Dienstleistung müssten sich nach jahrelanger Testphase am Markt beweisen können.
«Und ausserdem investieren auch andere Länder in Innovation und Technologie. In der Digitalisierung sind uns viele sehr weit voraus.» Der Erfolg liege definitiv in Pionierleistungen und Spezialisierungen in Nischen, wenngleich die Schweiz seiner Meinung nach als Gütesigel ausgedient habe.
Beim Thema Ausland kurz vor Schluss ergriff ein Ökonom in der mittleren Reihe das Wort: «Die Schweizer Abschottungspolitik aktuell ist schädlich für die Unternehmen. Es geht um Öffnung und Kooperationen.» Die Wirtschaft sei dringend aufs EU-Forschungsprojekt Horizon und auf die Personenfreizügigkeit angewiesen.
Wir brauchen Offenheit, Kreativität und Kooperationen.
Peter Flückiger, Vorsitzender der Geschäftsleitung von Swiss Textiles, pflichtete ihm bei und ergänzte: «Wir brauchen wieder geregelte Beziehungen mit der EU, unserer wichtigsten Handelspartnerin. Die Bilateralen lll werden darum das wichtigste politische Anliegen der kommenden Jahre für den Verband sein.» Zudem seien attraktive Rahmenbedingungen für die Unternehmen zentral, damit sie sich auf die Kompetenzen konzentrieren können, statt sich mit Regulierungen herumzuschlagen.
So unterschiedlich die Lösungsansätze und Meinungen waren, am Schluss einigte man sich darauf, dass wohl kein Weg an mehr Transparenz vorbeiführt. Genauso wenig wie an einem guten und Netzwerk aus Lieferanten und Partnern und an Produkten, die den Preis rechtfertigen, der sich durch die Wertschöpfung in der Schweiz ergibt.
«Ich halte fest», resümierte Moderatorin Monika Schäfer, «wir brauchen Offenheit, Kreativität und Kooperationen. Wir haben einen langen Atem und bleiben dran, denn wir sind Branchenpioniere.» Zustimmendes Nicken der Anwesenden.
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