Nina Bachmann und Adriana Zilic — 01.07.2025

Seitdem die EU 2022 ihre «Strategie für nachhaltige Textilien» präsentierte, sind zahlreiche Weichen gestellt worden. Weshalb herrscht immer noch Unsicherheit, obwohl einige Gesetze bereits umgesetzt sind? Wo steht die Textilstrategie aktuell?

Drei Jahre ist es her, seit dem die EU im Rahmen seines Green Deals die Textile-Strategy für nachhaltige Textilien veröffentlichte. Die Mitgliedsländer sollten endlich von der linearen zu einer Kreislaufwirtschaft umstellen.

Umgesetzt wird das Vorhaben über Gesetze aus insgesamt 16 Regulierungen. Diese müssen so angepasst werden, dass Textilien auf dem EU-Markt künftig in Kreisläufen zirkulieren, keine Schadstoffe enthalten und unter menschenwürdigen Bedingungen hergestellt worden sind.

Die Schweiz exportiert fast Dreiviertel ihrer Textilien und Bekleidung in die EU

Der Green Deal ist ein milliardenschweres Paket aus Investitionen, Gesetzen und Strategien, die praktisch sämtliche Branchen des europäischen Binnenmarkts betreffen.

Besonders gross sind die Auswirkungen dabei auf die Textil- und Bekleidungsbranche: Bekleidung und Heimtextilien sind die erste Produktgruppe mit den neu geltenden Vorschriften. Allein die Unternehmen in der Schweiz verkaufen jedes Jahr im Schnitt zwischen 60 und 70 Prozent ihrer Bekleidung und Textilien in die EU.

Während der Gesetzestext einiger zentraler Vorhaben bereits in Kraft ist, wurden andere auf Eis gelegt oder bleiben ungeklärt. Die Folge sind Unsicherheit und langes Warten.

Welche sind aktiv und welche nicht? Welche betreffen die Textilunternehmen in der Schweiz?

Diese Regulierungen gelten bereits:

I Stock 1205083122

Richtlinie über Verpackungen und deren Entsorgung

Die EU-Verpackungsrichtlinie regelt Verpackungen sowie deren Abfälle. Sorgfaltspflichten gelten zusätzlich für Holzprodukte, zu denen auch Karton gehört. Diese sind in der Holz- und Entwaldungsverordnung der EU festgelegt.

Viele Textilunternehmen verwenden für ihre Versände in die EU Kartonverpackungen, so auch jene in der Schweiz.

Richtlinie über Verpackungen und deren Entsorgung

Die EU-Verpackungsrichtlinie regelt Verpackungen sowie deren Abfälle. Sorgfaltspflichten gelten zusätzlich für Holzprodukte, zu denen auch Karton gehört. Diese sind in der Holz- und Entwaldungsverordnung der EU festgelegt.

Viele Textilunternehmen verwenden für ihre Versände in die EU Kartonverpackungen, so auch jene in der Schweiz.

I Stock 512990163

Generelle Produktsicherheitsrichtlinie

Die generelle Produktsicherheitsrichtlinie legt neben der Produktsicherheit auch die Haftung und die Rechte der Kundschaft fest.


Sie ist seit 2024 in Kraft und verpflichtet beispielsweise Schweizer Textilunternehmen ohne EU-Niederlassung, ihr Produkt mit Kontaktangaben einer verantwortlichen Person in der EU zu versehen.

Generelle Produktsicherheitsrichtlinie

Die generelle Produktsicherheitsrichtlinie legt neben der Produktsicherheit auch die Haftung und die Rechte der Kundschaft fest.


Sie ist seit 2024 in Kraft und verpflichtet beispielsweise Schweizer Textilunternehmen ohne EU-Niederlassung, ihr Produkt mit Kontaktangaben einer verantwortlichen Person in der EU zu versehen.

I Stock 1239171664

Ökodesign-Verordnung

Wie müssen Textilien zusammengesetzt sein, damit sie möglichst langlebig sind? Vorschriften dazu hält die Ökodesign-Verordnung fest. In der gesamten Textilstrategie hat sie bisher am meisten Diskussionen ausgelöst. Sie gilt zwar seit 2024 – enthält jedoch noch zu wenige Details. Jede Produktgruppe wird in einzelnen Anhängen geregelt.

So schreibt sie mitunter den Anteil wiederverwerteter Materialien in Textilien vor, ob eine Reparaturpflicht besteht sowie den Umfang von Informationen zur Lieferkette. Die müssen auf der Ware ersichtlich sein.

Ökodesign-Verordnung

Wie müssen Textilien zusammengesetzt sein, damit sie möglichst langlebig sind? Vorschriften dazu hält die Ökodesign-Verordnung fest. In der gesamten Textilstrategie hat sie bisher am meisten Diskussionen ausgelöst. Sie gilt zwar seit 2024 – enthält jedoch noch zu wenige Details. Jede Produktgruppe wird in einzelnen Anhängen geregelt.

So schreibt sie mitunter den Anteil wiederverwerteter Materialien in Textilien vor, ob eine Reparaturpflicht besteht sowie den Umfang von Informationen zur Lieferkette. Die müssen auf der Ware ersichtlich sein.

I Stock 922221548

... Der Anhang zum Ökodesign für Textilien wird derzeit erarbeitet und soll Anfang 2027 in Kraft treten. Unternehmen haben bis 2028 Zeit, diese zu implementieren.

Bereits verboten ist allerdings die weitverbreitete Praxis, unverkaufte Ware zu vernichten: Das Gesetz gilt ab 19. Juli 2026 für Firmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden. Ladenhüter unter Bekleidung, Schuhen und Bekleidungszubehör dürfen nicht mehr entsorgt werden.

Bis voraussichtlich August 2025 will die EU in einer Bestimmung ausführen, wie die Unternehmen die Befolgung nachweisen müssen.

... Der Anhang zum Ökodesign für Textilien wird derzeit erarbeitet und soll Anfang 2027 in Kraft treten. Unternehmen haben bis 2028 Zeit, diese zu implementieren.

Bereits verboten ist allerdings die weitverbreitete Praxis, unverkaufte Ware zu vernichten: Das Gesetz gilt ab 19. Juli 2026 für Firmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden. Ladenhüter unter Bekleidung, Schuhen und Bekleidungszubehör dürfen nicht mehr entsorgt werden.

Bis voraussichtlich August 2025 will die EU in einer Bestimmung ausführen, wie die Unternehmen die Befolgung nachweisen müssen.

I Stock 1447620522

Richtlinie zur Berichterstattung über nicht finanzielle Belange (CSRD)

Unternehmen müssen detaillierte Berichte über ihre Aktivitäten erstellen, die sich auf die Nachhaltigkeit auswirken können.


Umweltauswirkungen, Arbeitsbedingungen und Aspekte zu ihrer Lieferkettenverantwortung – das alles müssen Textilfirmen demnach offenlegen.

Richtlinie zur Berichterstattung über nicht finanzielle Belange (CSRD)

Unternehmen müssen detaillierte Berichte über ihre Aktivitäten erstellen, die sich auf die Nachhaltigkeit auswirken können.


Umweltauswirkungen, Arbeitsbedingungen und Aspekte zu ihrer Lieferkettenverantwortung – das alles müssen Textilfirmen demnach offenlegen.

I Stock 1411261785

Richtlinie zur Sorgfaltsprüfung in der Lieferkette (CSDDD)

Seit Juli 2024 müssen Unternehmen mit standardisierten Prozessen sicherstellen, dass ihre Lieferketten frei von Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden sind.

Die damit verbundene Forced Labour Regulation wird bereits dieses Jahr rechtskräftig und ab Dezember 2027 vollständig anwendbar.

Die EU-Mitgliedstaaten müssen dafür sorgen, dass keine Produkte aus Zwangsarbeit in den EU‑Markt gelangen. Zudem können betroffene Waren vom Markt genommen werden.

Richtlinie zur Sorgfaltsprüfung in der Lieferkette (CSDDD)

Seit Juli 2024 müssen Unternehmen mit standardisierten Prozessen sicherstellen, dass ihre Lieferketten frei von Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden sind.

Die damit verbundene Forced Labour Regulation wird bereits dieses Jahr rechtskräftig und ab Dezember 2027 vollständig anwendbar.

Die EU-Mitgliedstaaten müssen dafür sorgen, dass keine Produkte aus Zwangsarbeit in den EU‑Markt gelangen. Zudem können betroffene Waren vom Markt genommen werden.

I Stock 1410790452

Greenwashing-Verbot

Das Gesetz sagt Greenwashing den Kampf an: Es schreibt Unternehmen vor, wie sie mit Nachhaltigkeitsinformationen werben dürfen. So muss der Umweltfussabdruck von Produkten künftig anhand von Daten belegt werden.

Derzeit wird abschliessend darüber verhandelt und soll gegen Ende dieses Jahres in Kraft treten.

Greenwashing-Verbot

Das Gesetz sagt Greenwashing den Kampf an: Es schreibt Unternehmen vor, wie sie mit Nachhaltigkeitsinformationen werben dürfen. So muss der Umweltfussabdruck von Produkten künftig anhand von Daten belegt werden.

Derzeit wird abschliessend darüber verhandelt und soll gegen Ende dieses Jahres in Kraft treten.

Stop Stop the clock

Omnibus und «Stop-the-Clock»

Sowohl die Regulierungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) als auch zur Lieferkettensorgfalt (CSDDD) gehen dem neuen EU-Parlament zu weit: Es will sie deshalb in einer abgespeckten Variante in einer Omnibusregulierung zusammenfassen.

Insbesondere sollen die Umsetzungsfrist nach hinten verschoben, die betroffenen Unternehmen bedeutend weniger eingeschränkt und die Haftung gestrichen werden.

Weil die CSRD und die CSDDD allerdings bereits in Kraft sind, hat die EU-Kommission die sogenannte «Stop-the-Clock»-Richtline verfügt. Grosse Unternehmen, die noch nicht soweit sind, erhalten zwei Jahre mehr für die Umsetzung.

Omnibus und «Stop-the-Clock»

Sowohl die Regulierungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) als auch zur Lieferkettensorgfalt (CSDDD) gehen dem neuen EU-Parlament zu weit: Es will sie deshalb in einer abgespeckten Variante in einer Omnibusregulierung zusammenfassen.

Insbesondere sollen die Umsetzungsfrist nach hinten verschoben, die betroffenen Unternehmen bedeutend weniger eingeschränkt und die Haftung gestrichen werden.

Weil die CSRD und die CSDDD allerdings bereits in Kraft sind, hat die EU-Kommission die sogenannte «Stop-the-Clock»-Richtline verfügt. Grosse Unternehmen, die noch nicht soweit sind, erhalten zwei Jahre mehr für die Umsetzung.

I Stock 1717132183

Erweiterte Herstellerverantwortung (EPR)

Die Abfallrahmenrichtlinie macht die erweiterte Herstellerverantwortung für Textilien in sämtlichen Mitgliedstaaten künftig verbindlich.

Demnach müssen Textilunternehmen Beiträge an ein Kreislaufsystem zahlen, oder – je nach geplanter Umsetzung in den Mitgliedstaaten – für die Verwertung ihrer Textilien selbst sorgen.

Endgültig in Kraft tritt die Richtlinie voraussichtlich erst Anfang Oktober 2025. Weitere zwei Jahre wird es dauern, bis sie in den Mitgliedstaaten ausgeführt ist.

Erweiterte Herstellerverantwortung (EPR)

Die Abfallrahmenrichtlinie macht die erweiterte Herstellerverantwortung für Textilien in sämtlichen Mitgliedstaaten künftig verbindlich.

Demnach müssen Textilunternehmen Beiträge an ein Kreislaufsystem zahlen, oder – je nach geplanter Umsetzung in den Mitgliedstaaten – für die Verwertung ihrer Textilien selbst sorgen.

Endgültig in Kraft tritt die Richtlinie voraussichtlich erst Anfang Oktober 2025. Weitere zwei Jahre wird es dauern, bis sie in den Mitgliedstaaten ausgeführt ist.

Kehrtwende des neuen Parlaments

Die Regulierungsprozesse und der Umfang der Gesetzesrevisionen machen es schwer, den Überblick über das EU-Grossvorhaben zu bewahren.

Zwar geben das Europäische Parlament und der Rat die Richtung vor – die praktische Ausgestaltung erfolgt jedoch über die Kommission. Diese scheitert teilweise an der fachlichen Umsetzung.

Textilien sind nicht einfach gestrickt

Das führte in den letzten Monaten zu mehreren Kurswechseln. Prominentestes Beispiel: die neu lancierte Omnibus‑Regulierung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung und Lieferkettensorgfalt sowie der «Stop‑the‑clock»‑Vorstoss (siehe Bildergalerie).

Weitere ähnliche Omnibusvorschläge – etwa zum «Circular Economy Act» – sind in Arbeit. Besonders verzögern könnte sich die Realisierung bei Textilien. Deren Kontrolle und Steuerung erweist sich als komplexer als angenommen.

Wie prüfen?

Regeln für kreislauffähige Produkte zu erlassen, ist einfach – ihre Kontrolle hingegen weniger. Es fehlt an praxisgerechten Nachweisen, speziell bei Importwaren:

  • Wie lässt sich Langlebigkeit prüfen? Wann ist Farbechtheit gegeben und wann gilt ein Abriebtest als nicht bestanden?
  • Müssen auch Reissverschlüsse kontrolliert werden?
  • Wie viel darf eine Reparatur kosten, damit sie sich lohnt?
  • Dürfen schadstoffhaltige Textilien recycelt werden?
  • Müssen Lieferkettendaten für jedes Einzelstück in der EU zentral gespeichert werden?
  • Wer finanziert die Server-Infrastruktur – und wie steht’s um die Datensicherheit?

Innovation im Zeichen der Unsicherheit

Hinzu kommt, dass einige EU Mitgliedstaaten etwas voreilig waren und bereits national Vorschriften eingeführt haben. Jetzt wird gestritten, welche Regeln EU-weit gelten sollen.

Unternehmen müssen planen können und benötigen Zeit, um die komplexen Vorschriften umzusetzen. Angesichts der unzähligen offenen Fragen ist es für Firmen, Zulieferer und Hersteller jedoch schwer, abzusehen, wie sie sich vorbereiten sollen.

Viele haben bereits in Innovationen und personelle Ressourcen investiert – angetrieben vom nachhaltigen Ansatz. Doch wohin die EU‑Textilstrategie genau steuert und wie sie ihre Ziele erreichen will, bleibt unklar. Es gilt abzuwarten. Swiss Textiles hält Sie natürlich wie immer auf dem Laufenden.

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