Zu Besuch in einem ländlichen Wohnquartier mitten im zürcherischen Fehraltorf. Hier färbt, bedruckt und veredelt die E. Schellenberg Textildruck AG für ihre Firmenkunden. Swiss Textiles blickt hinter die Kulissen und spricht mit Inhaber Urs Schellenberg über herausfordernde Zeiten, sein familiäres Arbeitsklima und erotische Sujets.
«Ich erlebe jeden Tag, wie etwas Neues entsteht. Das ist das Schöne an meinem Beruf», sagt Urs Schellenberg. Seine Textildruckerei E. Schellenberg in Fehraltdorf veredelt Rohmaterial und liefert ihren Kundinnen und Kunden konfektionsfertige Ware. 2011 hat er sie von seinem Vater, der sie 1946 gegründet hatte.
Schellenbergs zwei Fabrikgebäude mit total 20'000 Quadratmetern liegen Mitten in einem idyllischen Wohnquartier. Rund 120 Mitarbeitende und sieben Lernende beschäftigt sein Unternehmen. Die Druckerei gehört zu den grössten der mittlerweile ganz wenigen B2B Textildruckereien in Europa, die praktisch die gesamte Produktepalette der Veredelung anbietet – für jeden Stoff: vom Vorbehandeln, Färben, Bedrucken im Rotationsverfahren und Digitaldruck bis hin zur Endausrüstung. Von Baumwolle und Viskose bis zu Polyamid und Polyester. Ob für die Modebranche, für Bett- und Feinwäsche oder Einrichtungsstoffe, Arbeitsbekleidung oder Militärstoffe: «Wir bieten fast alles an», sagt Schellenberg sichtlich stolz.
Zu seinen Kunden zählt er nebst armasuisse Brands wie Akris, Calida, Christian Fischbacher, Hermès, ISA Bodywear, Lacoste, Mey, Schlossberg Switzerland, oder auch Zimmerli.
Seine Druckerei zählt ausserdem zu den wenigen in Europa, die eine Produktionszulassung für das deutsche und US-amerikanische Militär haben.
Urs Schellenberg nimmt seine Hände zur Hilfe, wenn er die Prozesse und das Herzblut dahinter beschreibt. Sprüht förmlich vor Leidenschaft. Er packe gerne an, sagt er: Als studierter Maschineningenieur für die Textilindustrie bereiste der 43-Jährige während mehreren Jahren die ganze Welt, um Textilmaschinen zu installieren und Personal zu schulen. Er kennt seine riesigen Druckerei-, Wasch- und Färbemaschinen in- und auswendig. «Ich weiss gerne, was im Betrieb läuft. Bin da, wenn es irgendwo Schwierigkeiten gibt oder jemand einmal ausfällt.» Ein Mikromanager sei er deswegen nicht. Er setze auf Selbstverantwortung, Fairness und ein familiäres Klima.
Hie und da hält er vor einer Maschine an, um ein Schwätzchen zu halten oder einen Scherz zu machen. Alle 120 Mitarbeitende kennt er beim Namen und ist per Du mit ihnen.
Das Rattern, Dampfen und Zischen der Maschinen nimmt er gar nicht mehr wahr. Auch die verschiedenen Gerüche nicht, die beim Färben entstehen. Inzwischen steht er in der Arbeitsvorbereitungshalle, wo die Rohwaren gelagert sind. Auf den sogenannten Stoffkaulen – grosse Stoffrollen – werden die Stoffe für die anschliessenden Veredlungsprozesse vorbereitet. Auswaschen, anschliessend fixieren bei synthetischen Artikeln, – bei Baumwolle wird gebleicht und laugiert – , bevor es zum Hauptprozess übergeht, dem Färben oder Bedrucken. Als letzter Schritt wird der Stoff endausgerüstet und beispielsweise imprägniert. Je nach dem, welchen Zweck er erfüllen soll.
In den Hallen fällt ein Muster besonders auf: der neue Tarndruck der Schweizer Armee. «Diese Aufträge machen sehr viel Spass und helfen uns, Arbeitsplätze an unserem Standort zu sichern», sagt Schellenberg. Dank des überarbeiteten Vergabesystems der Schweizer Armee würden heute auch die Qualität und Nachhaltigkeit bewertet. Dies ermögliche eine Produktion in der Schweiz. Die Preise müssten sich aber weiterhin auf internationalem Niveau bewegen.
Auf dem Weg zur nächsten Halle macht Urs Schellenberg vor einem Stapel gräulichen Jerseys Halt: «Diesen Stoff produzieren wir für den ABC-Schutz des US-amerikanischen Militärs», erklärt er mit vielsagendem Blick. ABC steht für atomare, biologische und chemische Stoffe.
Im Herzstück seiner Produktionsstätte bleibt er schliesslich erneut stehen und erklärt begeistert: «Hier bedrucken und färben wir. Färben und Drucken sind komplexe Prozesse.» Eine Kombination aus manuellen und digitalen Schritten. Das Farbpulver etwa muss von Hand abgemessen und gemischt werden, bevor es der Färbmaschine beigegeben wird. Etwas zu viel Pulver oder Wasser kann alles zunichtemachen. Ähnlich wie beim Backen.
Wir müssen modern und effizient sein: mit weniger Energie und Wasser möglichst viel produzieren.
Anders als beim Färbverfahren kommen beim digitalen Drucken rotierende Rollen als Schablone zum Einsatz. Sie sind zwei Meter lang, aus Nickel und mit Leim versiegelt. Ein von menschlichem Auge kaum erkennbares Netz, durch das die Druckpaste gepresst wird, macht beliebige Dessins möglich. Das Rotationsverfahren eignet sich vor allem für grosse Aufträge. Jede Schablone kann aber nur für ein- und dasselbe Muster verwendet werden. Das Nickel der nicht mehr eingesetzten Schablonen wird recyclet oder teilweise auch zu stylischen Laternen weiterverarbeitet. Kostenpunkt der Schablone: 500 Franken.
Der digitale Druck unterscheidet sich vom Rotationsdruck insbesondere punkto Schnelligkeit. Während im Rotationsdruck in einer Stunde 1200 bis 1800 Meter Stoff bedruckt werden, schafft der Digitaldruck gerade mal 200 bis 300 Meter in derselben Zeit. Dafür sind mit dem computerbasierten Verfahren real wirkende Bildsujets möglich, die dank eines hin- und herfahrenden Schlittens zustande kommen. Kostenpunkt der Digitaldruckmaschine: über eine halbe Million Franken.
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