Jasmin Schmid — 24.08.2022

«Als sehr herausfordernd» beschreibt unser Interviewpartner David Bächi, CO-CEO und Mitinhaber Bächi-Cord AG, die Exportbedingungen im zweiten Quartal. Noch drücken der problematische Euro-Franken-Wechselkurs, die nach wie vor steigenden Preise und der drohende Engpass im Energiebereich nicht auf das Gemüt der Branche: Im zweiten Quartal schlug sie sich tapfer und für die kommenden Monate bleibt sie vorerst optimistisch.

Die Lage der Schweizer Textil- und Bekleidungsbranche

Die Umstände haben sich im zweiten Quartal gegenüber dem ersten nicht entspannt: Russland setzte seinen brutalen Krieg gegen die Ukraine fort, der Franken wertete sich gegenüber dem Euro weiter auf und die Rohstoffpreise für Rohöl, Viskose- und Polyesterfasern präsentierten sich weiter steigend. Trotz dieser schwierigen Umstände entwickelte sich das zweite Quartal im Grossen und Ganzen akzeptabel.

Der Indikator für die allgemeine Geschäftslage der verarbeitenden Textil- und Bekleidungsunternehmen knüpfte an seine Resultate des ersten Quartals an. Er konnte sich für das zweite Quartal insgesamt erneut verbessern. Allerdings sah es im zweiten Quartal nicht durchgehend rosig aus. Im Mai sackte die Bewertung der allgemeinen Geschäftslage in den negativen Bereich ab. Der Monat Juni hingegen machte den Tauchgang wieder wett und die solide Bewertung hielt auch im ersten Monat des laufenden Quartals an. Ein Stimmungsheber dürfte auch die Techtextil in Frankfurt gewesen sein, die nach drei Jahren im Juni 2022 erstmals wieder stattfand. Die Kapazitätsauslastung verringerte sich im Schnitt geringfügig von 84 auf 82 Prozent. Erfreulich und entscheidend ist, dass sie sich nach wie vor über der kritischen Schwelle von 80 Prozent hält. Der Auftragsbestand verhielt sich im zweiten Quartal sehr volatil. Insgesamt verschlechterte er sich gegenüber der Situation im April, hat im historischen Vergleich aber nach wie vor ein passables Niveau. Die verarbeitende Textil- und Bekleidungsbranche schlägt sich wacker. Mit der Schweizer Gesamtindustrie kann sie allerdings derzeit noch nicht Schritt halten.

Im Textil- und Bekleidungsgrosshandel weisen die Indikatoren in unterschiedliche Richtungen. Während sich die allgemeine Geschäftslage gegenüber der Bewertung im April verschlechtert hat, hob sich die Gesamtwertung der Nachfrage nach Leistungen des Textil- und Bekleidungsgrosshandels ein weiteres Mal. Letztere übertraf gar die Nachfrage nach Leistungen des Schweizer Gesamtgrosshandels. Die hohe Nachfrage in Kombination mit sinkender allgemeiner Geschäftslage könnte der Preissteigerung geschuldet sein. Diese führt je nach Wettbewerbssituation dazu, dass man pro Auftrag weniger verdient. Dennoch: Die Wertung der allgemeinen Geschäftslage hat sich zwar verringert, verglichen mit den vorangegangenen Jahren steht sie im Juli noch immer gut da.

Mit einem wertmässigen Plus von 2.9 Prozent und einem mengenmässigen Minus von 7.6 Prozent bei den Schweizer Textilexporten wiederholt sich der Erzählstrang des ersten Quartals. Doch das Auseinanderdriften der Textilexporte ausgedrückt in Kilogramm und denjenigen ausgedrückt in Schweizer Franken hat sich immerhin abgeschwächt. Starke Wachstumsimpulse kommen von Italien, den USA und Japan. Haupthandelspartner Deutschland schwächelt erneut und stellt angesichts der drohenden Gaskrise ein Risiko für unsere Branche dar – sowohl import- wie exportseitig. Die um die Rückwaren bereinigten Bekleidungsexporte schaffen im zweiten Quartal wertmässig ein Plus von 1.2 Prozent und mengenmässig ein Plus von 2.1 Prozent. Die EU ist hier das Zugpferd, den grössten Zuwachs verzeichnen jedoch die USA.

Konjunkturindikatoren

Kapazitaetsauslastung

Im zweiten Quartal lag die durchschnittliche Auslastung der Kapazitäten in der verarbeitenden Textil- und Bekleidungsindustrie bei 82 Prozent. Gegenüber dem Vorquartal kam es somit zu einer leichten Verringerung. Die Kapazitätsauslastung der Schweizer Gesamtindustrie hielt sich auf knapp über 85 Prozent.

Geschaeftslage verarbeitende Industrie

Im zweiten Quartal setzte die Bewertung der allgemeinen Geschäftslage der Schweizer Gesamtindustrie einen neuen Spitzenwert. Doch auch jene der verarbeitenden Textil- und Bekleidungsunternehmen kann sich sehen lassen. Im Juli stuften 23 Prozent ihre Lage als gut, 66 als zufriedenstellend und elf Prozent als schlecht ein. Damit resultiert eine weitere Verbesserung.

Auftragsbestand

Inmitten des zweiten Quartals war der Auftragsbestand der verarbeitenden Textil- und Bekleidungsunternehmen insgesamt sehr hoch, flachte dann im Juli wieder auf das Niveau vom Jahresbeginn ab. Im Juli stellten 14 Prozent der verarbeitenden Textil- und Bekleidungsunternehmen einen grossen, 56 Prozent einen normalen und 30 Prozent einen zu kleinen Auftragsbestand fest.

Geschaeftslage Grosshandel

Die Textil- und Bekleidungsgrosshandelsunternehmen revidierten die Bewertung ihrer allgemeinen Geschäftslage im zweiten Quartal merklich nach unten. Das Ergebnis der KOF-Umfrage im Juli lautet dabei wie folgt: 16 Prozent stellten eine gute, neun Prozent eine schlechte und 75 Prozent eine befriedigende allgemeine Geschäftslage fest.

Nachfrage Grosshandel

Die Nachfrage nach Leistungen des Textil- und Bekleidungsgrosshandels legte im zweiten Quartal nochmals nach und übertraf sogar das Niveau des Schweizer Gesamtgrosshandels. Hohe 73 Prozent der Textil- und Bekleidungsgrosshandelsunternehmen verzeichneten eine steigende und zehn Prozent eine sinkende Nachfrage. Bei 17 Prozent blieb die Nachfrage unverändert.

Mit der Geschäftslage wird der konjunkturelle Gesamtzustand des Unternehmens dargestellt. Die Testteilnehmenden beantworten die Frage: «Wir beurteilen die Geschäftslage zurzeit insgesamt als gut, befriedigend, schlecht.» Der Auftragsbestand umfasst die Menge oder den Wert der noch nicht in Arbeit genommenen Kundenaufträge. Die Testteilnehmenden beantworten die Frage: «Wir beurteilen den Auftragsbestand insgesamt als gross, normal, zu klein.» Die Nachfrage umfasst die Nachfragen nach Leistungen im In- und Ausland. Die Testteilnehmenden beantworten die Frage: «Die Nachfrage nach unseren Leistungen ist in den letzten drei Monaten gestiegen, gleichgeblieben, gesunken.»

Ausgewiesen wird für die vier Indikatoren der saisonbereinigte Saldo aus positiven und negativen Antworten. Dieser gibt die Tendenz der Entwicklung wieder. In der Praxis zeigen die Saldi eine hohe Korrelation mit den tatsächlichen Wachstumsraten der Realindikatoren. Die Angaben der positiven und negativen Antworten (Prozentzahlen im Text) sind nicht saisonbereinigt. (Quelle: KOF ETHZ)

Beschaeftigte

Aussenhandel

Im 2. Quartal 2022 wurden Textilien im Wert von 314 Millionen Franken exportiert. Dies entspricht gegenüber dem Vorjahresquartal einem Plus von 2.9 Prozent. Die Bekleidungsexporte verzeichnen ein Plus von 3.5 Prozent und belaufen sich auf 772 Millionen Franken. Bereinigt um die Rückwaren sind die Bekleidungsexporte um 1.2 Prozent gestiegen und liegen bei 239 Millionen Franken.

Im 2. Quartal 2022 wurden Textilien im Wert von 576 Millionen Franken importiert. Dies entspricht gegenüber dem Vorjahresquartal einem Plus von 4.2 Prozent. Die Bekleidungsimporte verzeichnen ein Plus von 3.9 Prozent und belaufen sich auf 2.03 Milliarden Franken. Bereinigt um die Rückwaren sind die Bekleidungsimporte um 3.7 Prozent gestiegen und liegen bei 1.49 Milliarden Franken.

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Entwicklung Exporte
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Entwicklung Importe
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Textilimporte nach Wirtschaftsraum
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Bekleidungsimporte Exporte
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Exporte Importe Warengruppen

Ausblick und Erwartungen

Diesen Sommer kam es zur grossen geldpolitischen Wende. Nach der amerikanischen Notenbank (FED) und der Schweizerischen Nationalbank (SNB), die beide im Juni ihre Leitzinsen anhoben, hat die Europäische Zentralbank (EZB) am 21. Juli 2022 ihre erste Zinsanhebung seit elf Jahren vorgenommen. Die Schweizer Textil- und Bekleidungsbranche wird sich auf neue Parameter einstellen müssen: Knappheit ausgedrückt in Inflation, restriktivere Geldpolitik und einem Euro unter Parität zum Schweizer Franken. Zusätzlich besteht bei unserem wichtigsten Partner Deutschland und auch in der Schweiz selbst Unsicherheit, wie der für den Winter drohende Gasmangel abgewendet werden kann.

Wie wirken sich diese Entwicklungen auf die Erwartungen der Schweizer Textil- und Bekleidungsunternehmen für die Monate August bis Oktober aus? Glücklicherweise haben sich die Preiserwartungen nicht erneut erhöht. Im verarbeitenden Textil- und Bekleidungsgewerbe stagnierten die Erwartungen der Unternehmen bezüglich der Verkaufspreise auf hohem Niveau. Dabei gehen 46 Prozent der von der KOF befragten Unternehmen von steigenden, zwei Prozent von sinkenden und 52 Prozent von gleichbleibenden Verkaufspreisen aus. Die Textil- und Bekleidungsunternehmen des Grosshandels senkten ihre Einschätzung zur Verkaufspreisentwicklung markant. So gehen noch zwölf Prozent von zunehmenden, sieben Prozent von abnehmenden und 81 Prozent von unveränderten Verkaufspreisen aus. Die Leitzinserhöhungen durch die Zentralbanken dürften die Erwartungen beeinflusst haben.

Die Exportaussichten erfuhren buchstäblich einen Ruck nach oben. 39 Prozent der verarbeitenden Textil- und Bekleidungsunternehmen rechnen mit höheren, 14 Prozent mit tieferen und 47 Prozent mit unveränderten Ausfuhren. Das ist sehr erfreulich, insbesondere in Anbetracht des über den Sommer stark abgewerteten Euros. Die Bestellungserwartungen der verarbeitenden Textil- und Bekleidungsbranche haben sich ebenfalls aufgehellt. Sie schaffen es knapp nicht in den positiven Bereich. Und auch die Unternehmen des Textil- und Bekleidungsgrosshandels steigerten bezüglich der Nachfrage ihren Optimismus. Gemäss 70 Prozent der Textil- und Bekleidungsgrosshandelsunternehmen soll sich die Nachfrage nach ihren Leistungen in den kommenden Monaten erhöhen, während zehn Prozent eine sinkende Nachfrage annehmen. 20 Prozent mutmassen ein gleichbleibendes Kaufinteresse.

Sowohl im verarbeitenden Textil- und Bekleidungsgewerbe wie auch im textilen Grosshandel präsentieren sich die Beschäftigungsaussichten freundlich. Bei Ersterem hielten sich die Beschäftigungserwartungen auf einem (relativ zu historischen Werten) guten Niveau. 18 Prozent trauen der Beschäftigung eine Zunahme zu, zwölf Prozent gehen von einer Senkung aus und für die grosse Mehrheit von 70 Prozent kommt es weder zu einer Zu- noch Abnahme. Die Unternehmen des Textil- und Bekleidungsgrosshandels hoben ihre Erwartungen insgesamt an. Neun Prozent rechnen mit einer Zunahme und 91 Prozent mit einer unveränderten Beschäftigungsentwicklung. Keines der Unternehmen erwartet einen Beschäftigungsrückgang.

Damit zeigen sich die Schweizer Textil- und Bekleidungsunternehmen optimistisch für die Monate August bis Oktober. Dies trotz herausfordernder Zeiten.

Interview mit

David Bächi

David Bächi

Bächi-Cord AG
CO-CEO und Mitinhaber

Die Bächi-Cord AG entwickelt und fertigt ein umfangreiches Sortiment an hochwertigsten Schnüren, die in die verschiedensten internationalen Märkte und unterschiedlichsten Branchen vertrieben werden. Dies sowohl für maschinelle wie manuelle Anwendungen in der Industrie, der Bau- und Landwirtschaft, im Gewerbe, bis hin in die Schulen, Gärten und Haushalte. Die Bächi-Cord AG exportiert rund 70 Prozent ihrer Produkte ins Ausland – in 30 Länder weltweit.

Wie gestalteten sich die Exportbedingungen für die Bächi-Cord im zweiten Quartal? Als sehr herausfordernd. Einerseits aufgrund des seit einiger Zeit erhöhten Preisniveaus beim Roh- sowie Hilfsmaterial sowie im Transportwesen. Andererseits aufgrund des durch einige äussere Einflüsse – geopolitische Unsicherheiten und die Anhebung der Leitzinsen der Schweizerischen Nationalbank – geschwächten Euros. Mit diesen Rahmenbedingungen ist es für einen exportorientierten Hersteller, wie wir es sind, sehr anspruchsvoll, rentabel zu produzieren.

Wiegen die günstigeren Importe den Nachteil des schwächeren Euros im Export nicht etwas auf? Diese Frage kann ich leider nicht bejahen. Entscheidend ist doch die Frage, wie sich die eigenen Betriebskosten im Verhältnis zum Wettbewerb verändern. Diese erhöhen sich bei den Betrieben, die einen Teil oder die gesamte Wertschöpfung in der Schweiz erzeugen – wie zum Beispiel bei uns –, mehr als bei der ausländischen Konkurrenz.

Starke Preisanstiege im Bereich Transport sowie Roh- und Zwischenmaterialien dominierten das erste und das zweite Quartal. Gemäss dem «YnFx Monthly Textile Price Watch Report» hat der Preisdruck im Juli etwas nachgelassen. Können Sie dies bestätigen? Im Grundsatz kann ich dies so nicht bestätigen. Es stimmt, dass sich die Preise des einen oder anderen Rohstoffes stabilisiert haben oder sogar sanken. Dies steht jedoch noch auf sehr unsicheren Beinen, da das Preisniveau des Rohstoffes Erdöl sehr schwankend ist und zum Teil einige Verarbeiter von Vorprodukten, vor allem aufgrund aktuellem Auftragsmangel, tiefere Preise angeboten haben. Bei den Transporten und im Bereich Energie (Strombedarf) spitzt sich die Lage eher zu. Da erwarte ich noch keine kurzfristige Erholung.

Sehen Sie aufgrund der drohenden Gaskrise Schwierigkeiten auf die Bächi-Cord zukommen? Haben Sie bereits Vorkehrungen getroffen? Da wir schon früh begonnen haben, unsere Produktionswärme ohne fossile Energie zu versorgen, sind wir nicht direkt von der drohenden Gaskrise betroffen. Bei einer allfälligen Stromknappheit jedoch würden auch wir darunter leiden. Die benötigte Strommenge im Winter kann nicht so einfach durch ein Notstromaggregat ersetzt werden.

Für die kommenden drei Monate zeigen sich die Schweizer Textil- und Bekleidungsunternehmen insgesamt optimistisch. Welches sind Ihre Erwartungen? Auch wir sind optimistisch für die nächsten drei bis sechs Monate. Zum einen aufgrund unserer aktuellen Auftragslage. Zum anderen aufgrund der Tatsache, dass wir bezüglich Nachhaltigkeit, die vermehrt im Markt verlangt wird, gut aufgestellt sind. So achten wir seit unserer Gründung 1982 auf den Umgang mit Ressourcen. Ein Grossteil unserer Schnüre werden zum Beispiel im Sinne eines Downcyclings aus Garnen hergestellt, welche entlang der textilen Wertschöpfungskette als Restgarne anfallen. Hinzu kommen neue interne Projekte für nachhaltigere Produkte wie Schnüre aus rezyklierten Stoffresten. Mit unserer Verpflichtung bei Sustainable Textiles Switzerland 2030 (STS 2030) werden wir den angeschlagenen Weg konsequent fortsetzen und ausbauen.

Wir danken David Bächi herzlich für das Interview.

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