Nina Bachmann / Mirjam Matti / Adriana Zilic — 24.06.2025

Faire Arbeitsbedingungen, umweltschonende Produktionsprozesse und die Umstellung von der linearen zur zirkulären Textilwirtschaft: Diese Themen beschäftigen die Unternehmen der Textilbranche besonders. Wo steht sie in Sachen Nachhaltigkeit derzeit? Und wie sieht echtes Textilrecycling aus?

Was häufig als «Recycling» bezeichnet wird, ist in vielen Fällen reines Wiederverwenden: Die Kleider werden verkauft, nochmals oder mehrfach getragen – und danach endgültig entsorgt. Meist landen sie im Abfall, auf Deponien oder seltener in Kehrichtverbrennungsanlagen.

In der Schweiz werden laut dem Geschäftsbericht von Texaid jährlich rund 36’000 Tonnen Kleider gesammelt. Das entspricht etwa 100 Tonnen pro Tag. Etwas mehr als die Hälfte davon gelangt zur Zweitnutzung auf weltweite Secondhandmärkte.

Von richtigem Recycling spricht man erst, wenn Textilien in einen geschlossenen Kreislauf zurückgeführt werden.

Echtes Recycling: zwischen Chemie und Mechanik

Nicht mehr tragbare Kleidung wird zu Putzlappen, Reisswolle oder Dämmstoffen verarbeitet. Diese Form der Verwertung nennt sich Downcycling – hochwertige Textilien werden dabei in minderwertigen Anwendungen weiterverwendet. Auch das ist kein echtes Recycling.

Von richtigem Recycling spricht man erst, wenn Textilien in einen geschlossenen Kreislauf zurückgeführt werden. Aktuell gibt es zwei Ansätze: das mechanische und das chemische Recycling.

Mechanisches Recycling: simpel, aber mit Einschränkungen

Beim mechanischen Verfahren werden Textilien ohne Chemikalien zerkleinert, zu Kurzfasern gerissen und zu neuen Garnen versponnen. Übrigens: Auch geschreddertes PET kann eingeschmolzen und neu versponnen werden.

Allerdings bringt das mechanische Verfahren Qualitätsverluste mit sich: Die Fasern werden kürzer, das Garn dadurch rauer und weniger geschmeidig. Für Teppiche oder robuste Stoffe spielt das kaum eine Rolle – für Hemden oder Bettwäsche hingegen schon. Dort lassen sich mechanisch recycelte Garne nur in kleinen Anteilen beimischen.

Textilrecycling ist nicht gleich Textilrecycling.
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Möglich ist zum Beispiel ein stufenweises Verfahren, das die verschiedenen Bestandteile der Textilien nacheinander herauslöst.

Chemisches Recycling: hochwertiger, aber komplexer

Das chemische Recycling löst die Grundstoffe – zum Beispiel Cellulose bei Baumwolle oder die Erdölbestandteile bei Polyester – mithilfe von chemischen Verfahren aus dem Material. Voraussetzung ist, dass die Stoffe möglichst rein sortiert vorliegen.

Für Mischgewebe gibt es bereits erste Verfahren, die die einzelnen Bestandteile schrittweise voneinander trennen. Aus der so gewonnenen Spinnmasse entstehen neue Fasern, die qualitativ mit den ursprünglichen vergleichbar sind – etwa bei Lyocell für Kleidung.

Die grösste Herausforderung beim chemischen Recycling besteht darin, Prozesse zu entwickeln, die ökologisch vertretbar und wirtschaftlich konkurrenzfähig sind.

Lösungen auch für Mischgewebe

Inzwischen gibt es auch für Mischgewebe bereits erste innovative Ansätze. Möglich ist zum Beispiel ein stufenweises Verfahren, das die verschiedenen Bestandteile der Textilien nacheinander herauslöst. Aus der «Spinnmasse» des chemischen Recyclings lassen sich neue Fasern machen.

Diese haben zwar (im Falle von Baumwolle) nicht mehr die gleiche Qualität wie die ursprünglichen Fasern. Dennoch genügen sie ähnlichen Qualitätsansprüchen und können in denselben Gebieten zur Anwendung kommen (zum Beispiel als Lyocell für Bekleidung).

Eine echte Alternative und eine qualitativ hochstehende Lösung in der Wiederverwertung von Baumwolle bietet etwa das Unternehmen Säntis Textiles an. Besonders bekannt ist es für seine Entwicklung von recycelten Baumwollgarnen aus Alttextilien, die ohne chemische Prozesse auskommen.

Grosse Chancen, grosse Hürden

Die grösste Herausforderung beim chemischen Recycling besteht darin, Prozesse zu entwickeln, die ökologisch vertretbar und wirtschaftlich konkurrenzfähig sind. Die Chemie bietet viele Möglichkeiten – aber nur ein kleiner Teil davon ist umweltverträglich.

In der Schweiz wie europaweit arbeiten Start-ups und Branchen an Lösungen, die zu einem umweltschonenden Recycling beitragen könnten.

Dazu gehört zum Beispiel das gemeinsame Projekt von Kleidersammler Tell-Tex und Säntis Textiles. Dereinst soll in der Schweiz ein Recycling-Hub auf industriellem Niveau entstehen.

Vergangenen Herbst wurde unter Swiss Textiles zudem der Verein Fabric Loop gegründet. Gemeinsam wollen verschiedene Unternehmen wie Calida, Pkz, Mammut, Odlo und Switcher eine Branchenlösung über eine vorgezogene Recyclingabgabe aufbauen. Statt einer reinen Wiederverwertung sollen Textilien so in geschlossene Kreisläufe zurückgeführt werden. Ziel ist es, Kreislauflösungen für Alttextilien in der Schweiz zu etablieren.

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