Adriana Zilic — 17.05.2023

Zu Besuch im hippen Zürcher Kreis vier. Hier designt und verkauft Qwstion seine Taschen, Accessoires und Jacken aus Naturfasern. Swiss Textiles blickt mit Gründer Christian Kaegi hinter die Kulissen und erfährt, warum ihm und seinem Team Pflanzen statt Plastik oder Schiffe statt Lastwagen lieber sind und wie sich aus Bananen modische Teile machen lassen.

«Warum sind alle Taschen und Rucksäcke aus Plastik»? Es ist 2008, als sich Christian Kaegi, Fabrice Aeberhard, Matthias Graf, Hannes Schoenegger und Sebastian Kruit diese Frage stellen.

Tatsächlich bestehen zwei Drittel der weltweiten Textilprodukte in der Modeindustrie aus Synthetik. Der überwiegende Teil bekommt die Umwelt ab. Weil noch keine echten Recyclingmethoden existieren und weil Shirts, Pullis und Hosen beim Tragen und Waschen Microplastik abgeben.

Christian Kaegi

Warum sind alle Taschen und Rucksäcke aus Plastik?

Taschen aus selbst entworfenem Material

Die fünf Männer kennen sich von früheren Arbeitsprojekten. Das «Warum» bringt sie wieder zusammen und führt sie schliesslich zur Gründung ihrer gemeinsamen Firma Qwstion («Question» ausgesprochen oder «Frage» auf Deutsch). Sozial und ökologisch hergestellte Taschen, Accessoires und Jacken aus Bananatex. Einem selbst entworfenen Material, das inzwischen zertifiziert ist, und aus vollständig kreislauffähigen Bananenfasern besteht. Ihr Firmenmotto: Pflanzen statt Plastik. Und ein möglichst kleiner ökologischer Fussabdruck.

Hier an der Badenerstrasse im Kreis vier, wo sich Designstudio und Shop befinden, taucht das Logo immer wieder mal auf dem Rücken eines Velofahrers oder Passanten auf. Längst ist Qwstion aber der ganz grosse Sprung in weitere europäische Städte gelungen. So sind in Berlin und Wien Pop-ups mit ihren Produkten erhältlich.

Von der Baumwolle zur Banane

Zu Beginn bestehen ihre Kollektionen hauptsächlich aus konventionell angebauter Baumwolle. «Das Problem daran ist, dass zu viel Wasser und Landwirtschaftsfläche verbraucht werden», erklärt der Industriedesigner und einer der Gründer Christian. Da sei grosses Verbesserungspotenzial vorhanden. Also recherchiert das 20-köpfige-Team. Mehrere Jahre. Testet Leinen, Bambus und Hanf. Keine dieser Naturfasern überzeugt.

Plötzlich stösst es auf die Abacá Banane – auch Manilahanf genannt –, die wild auf den Philippinen wächst und keine essbaren Früchte trägt. «Das Gute daran ist, dass sie in einer Permakultur wachsen. Also ohne Wasser, Pestizide und Düngermittel auskommen», erklärt er. Man entnehme sie einem gesunden Ökosystem. Ausserdem sei die grau-braune Faser lange, reissfest und robust. Schon die Einwohner haben vor Jahrhunderten Seile und Papier aus Bananenfasern hergestellt. Heute finden sie vorwiegend in der Papierindustrie Verwendung – hauptsächlich für Teebeutel oder Zigaretten.

Christian Kaegi

Das Gute an der Banane ist, dass sie in einer Permakultur wächst. Also ohne Wasser, Pestizide und Düngemittel auskommt.

Suchen, testen – und verwerfen

Wieder testen und entwerfen Christian und sein Team. Werfen Designs und Ideen über Bord. Zehn Jahre nach der Gründung von Qwstion ist es soweit: Matthias, Christian und Hannes – die anderen beiden haben sich inzwischen zurückgezogen – bringen 2018 «Bananatex» auf den Markt. Ein zu 100 Prozent kompostierbares Material, das auf Synthetik verzichtet und als Open-Source-Projekt auch anderen Herstellern zur Verfügung steht.

In Taiwan wird gesponnen, gewoben und genäht. Von dort wird das fertige Material nach China, Tschechien, Kroatien und in die Schweiz verschifft, wo Rucksäcke, Reise- und Laptoptaschen entstehen.

Lastwagen vs. Schiff

Ist der Fussabdruck aufgrund des Transports aus Ostasien nicht wieder dahin? Christian schmunzelt. «Das ist eine berechtigte Frage. Wir haben sie uns auch gestellt. Aber gemäss den neusten Daten des deutschen Umweltbundesamtes spielt der Transportweg eine weitaus kleinere Rolle», begründet er. Mit dem Schiff sei der Fussabdruck 20-mal tiefer pro Gewicht als mit dem Lastwagen.

Schöner als Auszeichnungen

Die Auszeichnungen, die bald nach der Materiallancierung folgen, sollten ihnen Recht geben: 2019 gewinnen sie den «Green Product Award» und den «Design Preis Schweiz 2019/20». 2021 wird ihnen der deutsche «Nachhaltigkeitspreis Design» überreicht. Im selben Jahr erhält Bananatex den Goldstandard von Crade-to-Cradle, das für verantwortungsvoll, sicher und zirkulär hergestellte Produkte steht. Auf Instagram folgen ihnen heute über 20’000 Menschen. Mittlerweile sind sogar H&M und COS auf Bananatex aufmerksam geworden und verwenden das Material für ihre Produkte.

Noch schöner als Auszeichnungen und viele Follower, so Christian, sei jedoch zu wissen, dass er und sein Team etwas für die Natur und die Menschen täten. Und alles wegen einer simplen Frage, die am Anfang ihrer Geschichte stand.

Dieser Beitrag entstand im Rahmen unserer neuen Reel-Reihe auf Social Media.

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