Am 6. Mai veröffentlichte die Schweizer NGO Public Eye ihre Forderung nach einem Modefonds. Mitte April brachte der Bundesrat seinen Bericht zur aktuellen Lage des Textilrecyclings. Beide verleihen der Branchenlösung von Fabric Loop zusätzlichen Aufwind. Der Verein, hinter dem Swiss Textiles sowie mehrere Mitglieder stehen, arbeitet an einem schweizweiten Recyclingsystem für Textilien.
Wie weit ist die Schweiz, wenn um es die Entsorgung ihrer Alttextilien geht? Wie viel Potenzial steckt in den verschiedenen Verwertungsmöglichkeiten?
Die Branchenlösung des Vereins Fabric Loop erhält zusätzlichen Schub. Am 6. Mai veröffentlichte die Schweizer Nichtregierungsorganisation Public Eye ihre Forderung nach einem sogenannten Modefonds für Billigmode an den Bundesrat: «Der Fonds fördert günstigere Reparaturen, mehr Secondhand-Angebote, hochwertiges Recycling und eine nachhaltigere Produktion», schreibt sie auf ihrer Webseite.
Die Idee einer Abgabe für Sammlung, Sortierung, Reparatur und Wiederverwertung von Textilien in der Schweiz ist nicht neu. Die Schweizer Textil- und Bekleidungsbranche gründete im November letzten Jahres mithilfe von Swiss Textiles und seinen Mitgliedern Calida, Mammut, Odlo, Pkz, Radys, Maison Blanche, Switcher und Workfashion den Verein Fabric Loop.
Im Mittelpunkt steht also nicht gesellschaftliche Erziehung und Konsumbesteuerung, sondern die Schliessung des Kreislaufes.
Gemeinsam arbeiten sie an einem einheitlichen Recyclingsystem, das über die erweiterte Produzentenverantwortung (EPR) aufgebaut werden soll. Alles soll zentral organisiert werden, um textile Ressourcen im Inland zu behalten und Kreisläufe zu schliessen. Massgebend: ein vorgezogener Recyclingbeitrag, um die dafür benötigten Infrastrukturen, Technologien und Dienstleistungen zu finanzieren.
Spruchreif wird er aber erst in zwei Jahren, wie Nina Bachmann, Präsidentin von Fabric Loop und Nachhaltigkeitsexpertin von Swiss Textiles sagt: «Wir hoffen, dass wir im Laufe des Jahres 2026 oder spätestens ab 2027 mit der Umsetzung beginnen können.» Die Abgaben, die der Verein noch berechnen müsse, dürften bei einem T-Shirt unter 10 Rappen liegen. Bei Public Eye sollen sie mehr betragen, erzählt David Hachfeld im neuen Artikel des Tages Anzeigers: «Ein Billig-T-Shirt könnte durch die Einführung des Fonds ein bis zwei Franken teurer werden».
Anders als Public Eye, welche mit ihrem Modefonds die Modeindustrie ins Visier nehmen und Billig-Mode stärker besteuern will, um so ein Umdenken bei Herstellern und Konsumierenden zu erreichen, zielt die Massnahme von Fabric Loop auf eine zentrale Finanzierung des Systems ab. Im Mittelpunkt steht also nicht gesellschaftliche Erziehung und Konsumbesteuerung, sondern die Schliessung des textilen Kreislaufes. Zudem sollen künftig auch Heimtextilien, Arbeitsbekleidung oder beispielsweise löchrige Shirts wiederverwertet werden können.
Alles Wissenswerte zum Thema textiles Recycling und Kreislaufwirtschaft in der Schweiz:
Während Sammlung und Sortierung hierzulande tadellos funktionieren – «Etwa 60 Prozent der gesammelten Textilien werden heute wiederverwendet», schreibt der Bundesrat in seinem Mitte April erschienen Bericht – mangelt es an einem zentral organisierten und kreislauffähigen Verwertungssystem: «Die Verwertungsmöglichkeiten von Alttextilien sind in der Schweiz jedoch begrenzt.» Der Grossteil der gesammelten Alttextilien werde im Ausland sortiert und verwertet. Das führt zum Verlust textiler Rohstoffe. Der Grund: Wichtige Infrastrukturen und Investitionen fehlten bislang, sodass heute nur tragbare Altkleider in die Sammelstellen gegeben werden dürfen. Täglich landen hierzulande gemäss Quantis 160 Tonnen Altkleider in der Kleidersammlung.
Die Forderung nach einem Modefonds und der Bundesratsbericht rücken den Diskurs erneut ins Zentrum der Aufmerksamkeit.
Im September 2022 verlangte der ehemalige SP-Nationalrat Roger Nordmann in seinem Postulat vom Bundesrat eine Untersuchung darüber, wie ausgediente Kleider in der Schweiz wiederverwertet werden.
Mitte April gab der Bundesrat nun bekannt, dass er den Postulatsbericht zur Verwertung gebrauchter Textilien gutheisst. Das Dokument legt den Stand der Dinge dar, geht auf die textile Kreislaufwirtschaft sowie Fast Fashion ein und präsentiert Lösungsvorschläge. Diese decken sich praktisch mit sämtlichen Erkenntnissen und Massnahmen der Textil- und Bekleidungsbranche.
Die Branchenlösung ist nicht nur ein Thema der Wirtschaft und Politik – längst ist sie auch ein gesellschaftliches, das die Gemüter bewegt.
Branchenlösungen wie im aktuellen Beispiel bestehen in der Schweiz schon. So etwa in der PET-Branche, die eine flächendeckende Sammlung, Sortierung und Verwertung von Plastikflaschen aufgebaut hat und hohe Verwertungsquoten erzielt. Konsumierende bezahlen einen vorgezogenen Recyclingbeitrag beim Kauf eines Mineralwassers in der Plastikflasche.
Die Forderung nach einem Modefonds und der Bundesratsbericht rücken den Diskurs der textile Nachhaltigkeit in der Schweiz erneut ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Die regelmässigen Artikel sowie wachsenden Kommentarspalten zeigen: Die Verwertung von Textilien ist nicht nur ein Thema der Wirtschaft und Politik – längst ist sie auch ein gesellschaftliches, das die Gemüter bewegt.
Und obgleich sich die Ansätze von Public Eye und Fabric Loop voneinander unterschieden, seien sich beide einig, dass «etwas gehen muss», wie es Nina Bachmann formuliert.
Fabric Loop wird vom nationalen Nachhaltigkeitsprogramm Sustainable Textiles Switzerland 2030 und der Genossenschaft Circular Clothing unterstützt. Neben der Berechnung der Beiträge arbeitet Fabric Loop derzeit daran, weitere Unterstützende zu gewinnen sowie die Festsetzung der rechtlichen und organisatorischen Grundlagen abzuschliessen. Gemeinsam mit der öffentlichen Hand will der Verein die Branchenlösung vorantreiben.
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