Am Mittwoch, 18. Mai 2022, fand in der Schweizerischen Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Berlin die Veranstaltung «Textilien für Gesundheit: Wie geht Innovation?» statt. Der Anlass war Teil des Textiljahres «Mehr als Spitze», das die Schweizerische Botschaft zusammen mit Swiss Textiles organisierte. Ziel war es auf die Leistungen der Schweizer Textilbranche und insbesondere auf neue Anwendungen von Textil aufmerksam zu machen und die grenzüberschreitenden Kontakte zu festigen.
Mit Prof. Dr. René Rossi, Leiter der Abteilung «Biomimetic Membranes and Textiles» an der Empa, sprach ich über aktuelle Forschungsprojekte, nächste Schritte und die europäische Zusammenarbeit.
Über die Frage, an welchen Forschungsprojekten er und sein Team aktuell arbeiten, muss René Rossi etwas schmunzeln. «Es kommt mir vor, als ob ich immer die gleichen Projekte erwähne, aber es ist so, dass wir gerade in der Medizin sehr lange forschen und es ein sehr aufwendiger und langwieriger Prozess ist, letztendlich für Produkte auch eine Zulassung zu bekommen.» Den Trend sieht Rossi aber ganz klar in der Sensorik und Medikamentenabgabe. Einerseits kommen Wearables zum Einsatz, die dazu dienen, mittels physikalischer, chemischer und biologischer Sensoren den Körper zu überwachen, andererseits aber auch zur transdermalen, kontrollierten Abgabe von Medikamenten. «Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Wunde am Körper. Sobald Bakterien in diese Wunde eindringen und eine Infektion ausgelöst wird, wird ein Signal aktiviert, und es werden Medikamente abgegeben. Die Heilung passiert dann ganz automatisch», sagt Rossi. Diese sogenannten Closed-Loop-Systeme seien aber noch grosse Zukunftsmusik.
Auch wenn das Maskentragen derzeit in der Schweiz nicht mehr weit verbreitet ist, so bleiben gerade im medizinischen Sektor antivirale und antibakterielle Textilien über die Pandemie hinaus ein präsentes Thema. Eine Herausforderung sind hier die Normen. «Normen werden immer basierend auf dem Stand der Technik geschrieben. Wenn Innovationen auf den Markt kommen, müssen die Normen teilweise angepasst werden. Sonst besteht das Risiko, dass neue Produkte die (alte) Norm nicht erfüllen, obschon ihre Leistung besser ist als der Stand der Technik. Normen können also teilweise innovationshemmend wirken», erklärt Rossi. Man sei nun daran, zusammen mit europäischen Partnern im Rahmen eines EU-Projekts diese Normen neu zu definieren.
Normen werden immer basierend auf dem Stand der Technik geschrieben. Wenn Innovationen auf den Markt kommen, müssen die Normen teilweise angepasst werden.
Das zeigt auch die Bedeutung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Anlässe wie diesen kürzlich in Berlin hätten vielleicht nicht immer gleich einen unmittelbaren Effekt, aber es sei wichtig, dass die verschiedenen Akteure auch immer wieder Gelegenheiten haben, an unterschiedlichen Orten zu unterschiedlichen Gegebenheiten zusammenzukommen. So nehme die Entwicklung der Partnerschaft ihren Lauf. Rossi verweist auf verschiedene Kooperationen mit Industriepartnern und Gesundheitseinrichtungen, die so im Laufe der letzten Jahre entstanden sind und aus ersten Projekten bereits wieder neue entstehen würden. Wie beispielsweise die Partnerschaft mit dem Start-up Sensomative, das mit sensomative wheelchair das Sitzverhalten von Rollstuhlfahrern erfasst und kategorisiert. Das System gibt dem Nutzer gezieltes Feedback, damit Druckentlastungen regelmässig durchgeführt werden. Diese Technologie könnte auch in der Neonatologie eingesetzt werden, also gerade bei Frühgeborenen, die rasch an Gewicht und Grösse zulegen und so die Druckverteilung immer optimal dem Körper angepasst ist.
Wichtiges Thema in Berlin war auch der Anschluss an Horizon Europe, um den Lead bei europäischen Forschungsprojekten auch in Zukunft übernehmen zu können und damit die Schweiz ein attraktiver Standort für Forschung und Entwicklung bleibt. «Es braucht einen langen Atem in der Forschung und Partner innerhalb des Netzwerks, die einem vertrauen», so Rossi. Erfolg gibt es nur mit einer multilateralen Zusammenarbeit.
Diskutieren Sie mit