Adriana Zilic — 30.04.2024

xxx

Sie beide sehen aus, als ob Sie bislang noch keine Zeit gehabt hätten, sich hinzusetzen und eine Wurst zu essen.

Thomas Sallmann: Ich konnte kurz etwas essen. Aber es ist schwierig, nur schon aufs WC zu gehen, weil dich alle kennen. Aber ich geniesse es.

Christian Sallmann: Ich habe schnell eine Wurst gegessen und ein paar Gläser Wasser getrunken. Aber man kommt nicht wirklich vorwärts, weil es so viele Leute hat. Was es schwierig macht, ist, dass dich viele Leute kennen, aber du sie nicht. Das Gesicht kommt dir bekannt vor, aber der Name fällt dir nicht ein.

Ihr Unternehmen ist seit 175 Jahren im Unterwäschegeschäft. Warum sind Unterhosen und Unterleibchen wichtig, wenn wir sie verdeckt unter unserer Kleidung tragen?

CS: Die Unterwäsche ist das Produkt, das man am nächsten am Körper trägt. Wenn sie nicht richtig sitzt, hat man keinen angenehmen Tag. Dann stört etwas, weil man sich nicht wohlfühlt. Darum ist Unterwäsche für das persönliche Wohlbefinden sehr wichtig.

Christian Sallmann

Die Unterwäsche ist das Produkt, das man am nächsten am Körper trägt.

Zur Feier ihres 175-jährigen Jubiläums lud ISA Sallmann am Wochenende zur Tag der offenen Tür.

Image00017
Image00019
Image00018
Image00016
Image00015
Image00014
Image00011
Image00010
Image00012

Sie haben zu zweit die Geschäftsleitung 2021 von Ihrem Vater Andreas Sallmann übernommen. Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Leistung bis jetzt?

CS: Wenn man sich anschaut, was wir erreicht haben in den letzten Jahren, darf man zufrieden sein. Es gibt sicher noch Spielraum, um besser zu werden. Am Ziel ist man nie. Wir haben das Geschäft in einer schwierigen Zeit übernommen (Anm. Redaktion Corona) und sind gut durchgekommen. Auch dank unserer einzigartigen Lieferkette mit eigener Strickerei, Zuschnitt und Ausrüstung in der Schweiz und einer eigenen Produktion in Portugal.

TS: Ich bin grundsätzlich zufrieden. Den Erfolg, den wir jetzt haben, ist noch nicht voll uns zuzuschreiben. Die Umsetzung der strategischen Projekte und vor allem die geplante Neuausrichtung mit unseren Markenbotschaftern Tennisprofi Dominic Stricker und Ruderer Louis Margo machen sich langsam bemerkbar.

Thomas Sallmann

Wir bringen im Mai eine Kapsel-Kollektion heraus für die Generation Z, zusammen mit der STF.

Thomas Sallmann

(...) die jungen Menschen haben komplett andere Bedürfnisse und Einstellungen – die verstehen wir gar nicht mehr.
Image00004
Image00005
Image00003
Image00001
Image00002

Ihre Markenbotschafter Dominic Stricker und Louis Margot sind Männer. Wie sprechen Sie die weibliche Kundschaft an?

TS: Ich bin der Meinung, dass der Markenbotschafter wichtig ist, aber du brauchst zuerst die richtigen Produkte. Wir sind sehr herrenlastig. Die Kollektionsentwicklung deckt zu 90 Prozent Herren ab. Wir haben gemerkt, dass wir falsch ausgerichtet sind im Moment. Jetzt müssen wir bei den Damen etwas aufholen.

Zum Beispiel?

TS: Dieses Jahr starten wir das Projekt Woman 2.0 neu und von Grund auf. Mit einer umfassenden Marktrecherche, um eine neue Kollektion aufzubauen. Ab nächsten Herbst geben wir Vollgas, und Verhandlungen mit einer sehr bekannten Markenbotschafterin – sie war erst gestern hier – laufen bereits. Aber wir können noch nichts dazu sagen.

Thomas Sallmann

Jetzt müssen wir bei den Damen etwas aufholen.

Ist sie Model, Influencerin oder Sportlerin?

CS: Sie ist sehr bekannt und bodenständig.

TS: (schmunzelt): Sie ist ab und zu im Fernsehen und war früher einmal Sportlerin. Da aber noch nichts unterschrieben ist, können wir nicht mehr verraten.

Sie stellen erst seit 2006 Damenwäsche her. Haben Sie Frauen als Zielgruppe vernachlässigt?

CS: Unser Vater hat schon immer versucht, Damenunterwäsche anzubieten. Aber ohne die Oberteile, also BHs. Wir machen keine BHs. Wir werden sie auch in Zukunft nicht machen. Sie sind zu komplex und erfordern eine andere Produktion. Da gibt es bereits etablierte Marken. Wir hätten keine Chancen bei der Positionierung, mit unseren Preisen und der Menge. Für die Menge hätten wir zu den Grossen müssen. Aber wir wollen alles selbst herstellen. Daher fokussieren wir uns bei den Damen vor allem auf Wäsche.

Was haben Sie konkret vor?

TS: Wir haben alles, um Unterwäsche herzustellen. Aber die Schnittmuster müssen wir überarbeiten. Mehr Spitze, mehr sexy. Zum Beispiel ein Streifenband über dem Po.

Sie gehören zu den wenigen Wäscheproduzenten, die noch in der Schweiz sticken, veredeln, schneiden und selbst entwerfen. Wie gelingt Ihnen das im Gegensatz zur Konkurrenz?

CS: Diese Frage wird uns öfters gestellt. Wir sind ein unabhängiges Familienunternehmen. Wir denken langfristig und müssen nicht von Quartal zu Quartal Investoren zufrieden stellen. Unsere Familie besitzt Aktien und ist so in der Lage, in Krisen antizyklisch zu handeln.

Thomas Sallmann

Mehr Spitze, mehr sexy.

Andere Unternehmen sagen das auch über sich.

CS: Während Corona haben wir zum Beispiel weit über eine halbe Million Franken in Maschinen investiert und 15 Prozent des Volumens im Ausland wieder zurück in die Schweiz geholt, damit wir schneller werden. So haben wir die internationale Ausschreibung der Schweizer Armee gewonnen und stellen seit einem Jahr mit unserem langjährigen Partner E. Schellenberg Textildruck in Fehraltdorf ihre Unterwäsche her. Früher wurde sie im Ausland produziert.

Also sind Ihre Preise für Unterhosen und Unterhemden teurer als bei der Konkurrenz?

CS: Interessant ist, dass wir Stand heute so weit sind, dass wir nicht mehr viel teurer sind als das nahe Ausland. Beispielsweise beim Stricken. Das Einzige, das teurer ist, sind die Lohnkosten. Hier machen unsere ausländischen Mitbewerber zwar grosse Schritte.

Wie sieht es mit den anderen Produktionskosten aus?

CS:Wir kommen billiger an Energie ran und haben bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Wenn man alles zusammenrechnet, ist das Ausland nicht mehr viel billiger. Auch wegen den immer teurer werdenden Transportkosten.

Wie seht die Schweizer Textil- und Bekleidungsbranche der Zukunft aus?

CS: Unsere Industrie kann eine Zukunft haben, wenn man sich jetzt richtig aufstellt. Wenn man offen für Neues bleibt und Innovationen pusht. Ganz wichtig sind Megatrends wie Smart Textiles und Nachhaltigkeit und dass man sich von den Regulatorien nicht zu stark einschränken lässt. Wir blicken positiv in die Zukunft.

Inwiefern?

Wir bekommen in den letzten drei Jahren mehr Anrufe aus dem Ausland, die ihre Aufträge wieder in der Schweiz oder in Europa vergeben wollen. Das verkürzt die Lieferwege, führt zu weniger Überhang und mehr Nachhaltigkeit. Das stimmt uns zuversichtlich.

Christian Sallmann

Wir blicken positiv in die Zukunft.

Und was bereitet Ihnen Sorgen?

CS: Sorgen macht uns die Lieferkette, die brauchen wir. Wenn uns da ein wichtiger Lieferant wegbricht, kann es kritisch werden. Darum wollen wir uns etwas breiter aufstellen und wieder näher mit unseren Hauptlieferanten arbeiten.

Sie sprechen von einer zukunftsträchtigen Textilindustrie in der Schweiz. Die Deindustrialisierung nimmt indes zu.

CS: Ich glaube nicht, dass die Schweiz ihren hohen Lebensstandard ohne ihre Industrie halten kann. Viele Innovationen kommen aus der Industrie. Es muss uns und der allgemeinen Industrie in Zukunft möglich sein, weiterhin in der Schweiz zu produzieren. Damit wir unabhängig bleiben.

Was sind Alternativen zur textilen Industrie, mit denen Unternehmen erfolgreich sein können?

CS: Servicemodelle sind denkbar, wobei diese im Unterwäschebereich schwierig sind. Technische Textilien kommen immer mehr. Ihr Produktions-Know-how müssen wir unbedingt in der Schweiz behalten. Da ist der Verband gefordert und jedes einzelne Unternehmen.

Christian Sallmann

Technische Textilien kommen immer mehr.

À propos Verband – Was wünschen Sie sich von Swiss Textiles?

Der Verband macht einen super Job. Wir profitieren viel von ihm, vor allem von den rechtlichen Beratungen zu Arbeits- und Patentschutz. Wir hoffen, dass sich der Verband weiterhin weiterentwickeln wird und mit der Industrie gehen wird.

Ihr Vater sagte einmal in einem Interview, dass der ehemalige US-Präsident Bill Clinton zu Ihren Kunden gehöre. Von welcher weiteren berühmten Persönlichkeit wissen Sie, dass Sie Ihre Unterwäsche trägt?

Wir haben schon Briefe von bekannten Trägern erhalten – wie damals zum Beispiel von Prinz Charles, als er noch nicht König war, oder von Prinz William. Wir haben auch den US-Präsidenten Busch und Obama unsere Wäsche geschickt. Ob sie diese auch tragen, wissen wir nicht. Auch unsere Bundesräte haben Unterhosen von uns erhalten.

Senden Sie Donald Trump Unterhosen, sollte er wieder US-Präsident werden?

Ja, wir sind neutral. Auch er soll sich in der richtigen Wäsche wohlfühlen.

Article on the topic